Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gold. Pirate Latitudes

Gold. Pirate Latitudes

Titel: Gold. Pirate Latitudes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
Vom Netzwerk:
trat er vor, stellte einen Fuß auf den Hals des toten Jungen und trat einmal fest zu. Ein Knirschen von brechenden Knochen ertönte.
    Er blickte die aufgereihten Seeleute an. »Ich werde die Wahrheit erfahren«, sagte er. »Ich schwöre, ich werde sie erfahren.« Er drehte sich blitzschnell zu seinem ersten Offizier um. »Schafft sie nach unten und sperrt sie ein«, sagte er. Er deutete mit einem Nicken auf Hunter. »Den da auch.«
    Mit diesen Worten schritt er davon zum Heckkastell. Hunter wurde gefesselt und mit den anderen nach unten gebracht.
    Das spanische Kriegsschiff hatte fünf Decks. Die oberen zwei waren Kanonendecks, wo auch ein Teil der Besatzung in Hängematten zwischen den Kanonen schlief. Als Nächstes kamen die Quartiere für die Soldaten. Das vierte Decke diente als Lagerraum für Munition, Nahrungsmittel, Flaschenzüge, Taue, Vorräte und lebendes Vieh. Das fünfte und unterste Deck verdiente kaum die Bezeichnung Deck: Der Abstand vom Boden bis zu den dicken Deckenbalken betrug höchstens vier Fuß, und weil dieses Deck unter der Wasserlinie lag, konnte es auch nicht belüftet werden. Die stickige Luft stank nach Kot und Bilgewasser.
    Dorthin wurde die Besatzung der Cassandra gebracht. Die Männer mussten sich mit ein wenig Abstand zueinander auf den rauen Boden setzen. Zwanzig Soldaten bezogen in den Ecken des Raumes Wache, und von Zeit zu Zeit ging einer mit einer Laterne herum und überprüfte die Fesseln von jedem einzelnen Mann.
    Reden war ebenso wenig erlaubt wie schlafen, und wer dagegen verstieß, handelte sich einen bösen Tritt mit einem Soldatenstiefel ein. Die Männer durften sich nicht bewegen, und wer sich erleichtern musste, tat das, wo er saß. Bei sechzig Gefangenen und zwanzig Wachen wurde es in dem niedrigen, ungelüfteten Raum bald erstickend heiß, und es stank fürchterlich. Sogar die Wachen waren in Schweiß gebadet.
    Irgendwann ging das Zeitgefühl verloren. Die einzigen Geräusche waren die schweren, rumpelnden Bewegungen des Viehs auf dem Deck über ihnen und das unaufhörliche, eintönige Zischen des durchs Wasser pflügenden Kriegsschiffs. Hunter saß in der Ecke, lauschte dem Geräusch des Wassers, wartete darauf, dass es aufhörte. Er versuchte, die nackte Hoffnungslosigkeit seiner Lage auszublenden – er und seine Leute waren tief im Bauch eines gewaltigen Kriegsschiffs vergraben, umringt von Hunderten feindlichen Soldaten, denen sie auf Gedeih und Verderb ausgeliefert waren. Falls Cazalla nicht irgendwo die Nacht über vor Anker ging, waren sie alle verloren. Hunters einzige Chance hing davon ab, dass das Kriegsschiff über Nacht haltmachte.
    Die Zeit verging: Er wartete.
    Endlich bemerkte er eine Veränderung im Rauschen des Wassers, und auch das Knarzen der Takelage klang anders. Er setzte sich auf, lauschte angestrengt. Kein Zweifel – das Schiff wurde langsamer.
    Die Soldaten, die zusammenhockten und sich leise unterhielten, wechselten ein paar Worte darüber. Einen Augenblick später erstarb das Geräusch des Wassers gänzlich, und Hunter hörte das Rasseln der Ankerkette. Der Anker platschte laut. Irgendwo im Hinterkopf merkte Hunter sich, dass er in der Nähe des Bugs sein musste. Ansonsten wäre das Geräusch nicht so deutlich gewesen.
    Noch mehr Zeit verging. Das Schiff schaukelte sachte auf den Wellen. Sie mussten in einer geschützten Bucht vor Anker gegangen sein, denn das Wasser war merklich ruhig. Das Schiff hatte großen Tiefgang, und Cazalla würde damit nachts nicht in einen Hafen fahren, den er nicht gut kannte.
    Er fragte sich, wo sie waren, und hoffte auf eine Bucht nicht weit von den Turksinseln. Dort fanden sich leewärts etliche Buchten, die für ein Schiff dieser Größe tief genug waren.
    Das Schaukeln des Kriegsschiffs vor Anker war beruhigend. Mehr als einmal spürte er, wie er eindöste. Die Soldaten beschäftigten sich damit, den Seeleuten Tritte zu versetzen, um sie wach zu halten. Im dumpfen Halbdunkel des Unterdecks ertönte immer wieder das Knurren und Ächzen von Seeleuten, wenn sie getreten wurden.
    Hunter fragte sich, wie es um seinen Plan stand. Was ging da oben vor?
    Nachdem wieder lange Zeit vergangen war, kam ein spanischer Soldat nach unten und bellte: »Alle Mann aufstehen! Befehl von Cazalla! Alle aufstehen!« Angetrieben von den Stiefeln der Soldaten, kamen die Seeleute nacheinander auf die Beine und standen geduckt in dem niedrigen Deck. Es war eine schmerzhafte, qualvoll unbequeme Haltung.
    Wieder verging Zeit. Die

Weitere Kostenlose Bücher