Gold. Pirate Latitudes
kratzbürstigen Frau, der er das Leben gerettet hatte. »Ich bin nur hergekommen, um mich nach Eurem Knöchel zu erkundigen –«
»Dem geht es schon viel besser, danke.«
»– und um zu fragen, ob Ihr auch, ähm, sonst wohlauf seid.«
»Ach ja?« Ihre Augen funkelten. »Meint Ihr nicht eher, ob der Spanier mich entehrt hat, damit Ihr es ihm nach Belieben gleichtun könnt?«
»Madam, ich hatte nicht die Absicht –«
»Nun, ich kann Euch versichern, der Spanier hat mir nichts genommen, was ich nicht bereits verloren hatte.« Sie lachte bitter auf. »Aber er hat es auf seine ganz eigene Art und Weise getan.«
Jählings wandte sie sich in ihrem Sessel ab. Sie trug ein Kleid mit spanischem Schnitt, das sie auf dem Schiff gefunden hatte und das hinten tief ausgeschnitten war. Hunter sah eine Reihe hässlicher Striemen, die sich quer über ihre Schultern zogen.
Sie drehte sich wieder zu ihm um. »Jetzt versteht Ihr vielleicht«, sagte sie. »Oder wahrscheinlich doch nicht. Ich habe weitere Trophäen von meiner Begegnung mit dem Hofe Philipps in der Neuen Welt.« Sie zog den Ausschnitt ihres Kleides ein wenig herunter, sodass ein runder roter Fleck auf einer Brust zum Vorschein kam. Sie tat das so rasch und so ungeniert, dass es ihm die Sprache verschlug. Hunter konnte sich einfach nicht daran gewöhnen, wenn hochwohlgeborene Frauen vom Hofe Charles II. sich wie ihre Geschlechtsgenossinnen aus dem gemeinen Volk benahmen. Wie ging es bloß im England dieser Tage zu?
Sie berührte die Stelle. »Das ist eine Brandwunde«, sagte sie. »Ich habe noch mehr. Ich fürchte, davon werden Narben zurückbleiben. Wer auch immer mein Gatte sein wird, er wird rasch die Wahrheit über meine Vergangenheit erfahren.« Sie starrte ihn herausfordernd an.
»Madam«, sagte er, »ich bin froh, den Unhold, der Euch das angetan hat, ins Jenseits befördert zu haben.«
»Das ist mal wieder typisch Mann!«, sagte sie und fing an zu weinen. Sie schluchzte eine Weile, während Hunter dastand und nicht wusste, was er tun sollte.
»Madam …«, sagte er.
»Meine Brüste waren meine größte Zierde«, schniefte sie durch die Tränen. »Jede Frau aus gutem Hause hat mich darum beneidet. Versteht Ihr denn gar nichts?«
»Madam, bitte …« Hunter tastete nach einem Taschentuch, hatte aber keines. Er trug noch immer seine zerfetzte Kleidung von dem Überfall. Er sah sich in der Kajüte um, fand eine Serviette und reichte sie ihr.
Sie putzte sich geräuschvoll die Nase.
»Ich bin gebrandmarkt wie eine gemeine Verbrecherin«, sagte sie noch immer unter Tränen. »Ich werde niemals wieder die modischen Kleider der Stadt tragen können. Ich bin entstellt.«
Hunter fand sie unbegreiflich. Sie war am Leben und in Sicherheit und auf dem Weg zu ihrem Onkel. Warum also weinte sie? Ihr Los war besser, als es in den vergangenen Tagen gewesen war. Mit dem Gedanken, dass sie eine undankbare und unbegreifliche Frau war, goss er ihr einfach aus einer Karaffe ein Glas Wein ein. »Lady Sarah, bitte quält Euch nicht so.«
Sie nahm den Wein und trank das ganze Glas mit einem einzigen langen Zug aus. Sie schniefte und seufzte.
»Schließlich«, fügte er hinzu, »ändert sich die Mode doch unentwegt.«
Prompt brach sie wieder in Tränen aus. »Männer, Männer, Männer«, stöhnte sie. »Und das alles nur, weil ich meinen Onkel besuchen wollte. Ach, welch bedauernswertes Schicksal.«
Es klopfte an der Tür, und ein Seemann steckte den Kopf herein. »Verzeihung, Captain, aber Mr Enders sagt, wir gehen in etwa einem Glas vor Anker, und dann können die Seetruhen geöffnet werden.«
»Ich komme an Deck«, sagte Hunter und ging aus der Kajüte. Lady Sarah brach erneut in Tränen aus, und er hörte ihr Schluchzen selbst dann noch, als er die Tür bereits geschlossen hatte.
KAPITEL 25
Sobald sie am selben Abend in Constantina Bay, im Windschatten einer niedrigen, spärlich bewachsenen Insel geankert hatten, wählte die Besatzung sechs Männer aus ihren Reihen, die Hunter und Sanson beim Zählen des Schatzes behilflich sein sollten. Es war eine ernste und feierliche Angelegenheit. Während die übrige Besatzung die Gelegenheit nutzte, um sich mit spanischem Rum maßlos zu besaufen, blieben die acht Männer nüchtern, bis sie ihre Aufgabe erledigt hatten.
Auf Hunters Schiff befanden sich zwei Schatzkammern. Die erste, die sie öffneten, enthielt fünf Truhen. Eine war randvoll mit Perlen gefüllt, von ungleichmäßiger Beschaffenheit, aber dennoch kolossal
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