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Gold und Stein

Gold und Stein

Titel: Gold und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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lernen.«
    »Da habt Ihr recht«, stimmte Mohr mit seinem brummigen Bass zu. »Auch wenn ich jetzt schon sicher bin, dass Ihr als Schankwirtstochter eher Eurer lieben Muhme noch etwas zeigen könnt. Es freut mich, Euch kennenzulernen, liebes Fräulein. Wohlan, die Zeit drängt, Streicherin, lasst mich kosten, was in Eurem Keller gärt.«
    Damit schickte er sich an, zur Bodenklappe zu gehen. Agatha öffnete sie und ließ ihm den Vortritt. Kaum war er nach unten verschwunden, winkte sie Agnes zu sich. »Ich hoffe, du wirst mir einen guten Grund nennen, warum du Mohr diese Geschichte mit Labiau erzählt hast. Ich habe keinen Anlass, ihm etwas zu verschweigen. Im Gegenteil. Als Bierbeschauer ist er sehr wichtig für mich. Mein Bier gilt nun einmal nicht als das beste hier aus dem Löbenicht. Ich muss aufpassen, mein bescheidenes Brau nicht zu verlieren. Deshalb möchte ich wissen, weshalb du ihm deine Herkunft aus Wehlau verschweigst.«
    »Ihr werdet keinen Schaden davon haben. Für mich aber ist es besser, wenn vorerst keiner außerhalb Eures Hauses erfährt, woher ich wirklich komme.«

7
    G leich beim Aufwachen ahnte Editha: Dieser Freitag war kein guter Tag. Es begann damit, dass sie auf dem Laken neben sich ins Leere tastete. Klammheimlich war Gernot aufgestanden und hatte sie allein gelassen. Sogleich fiel ihr der Streit vom Vorabend ein. Beileibe war es nicht ihr erster Zank gewesen. Gerade in den letzten Wochen ging es nahezu jeden Tag hoch her zwischen ihnen, insbesondere, wenn sie wie jede Woche mit einem sündhaft teuren Säckchen Kräuter oder einer rätselhaften Phiole von der Hundskötterin zurückkehrte. Gernots seltsame Geschäfte, über die er nicht mit ihr reden wollte, und die rätselhaften Bemerkungen seiner Zunftgenossen lieferten weiteren Anlass für Zwietracht. Zum ersten Mal in ihrem gemeinsamen Leben waren sie unversöhnt nebeneinander eingeschlafen. Nicht einmal, als sie sich seine Hand auf die nackte Brust gelegt und sich eindeutig räkelnd an ihn herangeschoben hatte, war er weich geworden.
Good gracious!
Und jetzt wollte er nicht einmal mehr neben ihr aufwachen.
    Missmutig quälte sie sich aus den verschwitzten Laken. Die Augusthitze wurde in diesem Jahr wohl niemals besser. Sämtliche Fasern ihres Leibes schmerzten. Kaum saß sie auf der Bettkante, drehte sich ihr alles vor Augen. Vorsichtig erhob sie sich, tapste schwerfällig zum Fenster, lehnte den Kopf schwer atmend gegen den Rahmen und sog die Morgenluft ein. Es spannte ihr in der Brust. Unwillkürlich tasteten ihre kurzen Finger über das Hemd, befühlten die prallen Brüste, glitten weiter zum Bauch hinunter. Übelkeit stieg ihr in der Kehle auf. Jäh schoss ihr in den Sinn, woher sie diesen Zustand kannte: Sie war wieder gesegneten Leibes! Ein Freudenjauchzer entfuhr ihr. Wieso war ihr das nicht früher aufgefallen? Seit Wochen hatte sie nicht mehr geblutet. Ihre Hände zitterten, der Schwindel in ihrem Kopf wurde stärker, die Brüste taten weh. Jetzt, da sie die Ursache kannte, bereitete ihr das gleich weniger Unbehagen. Was für ein Tag! Wie hatte sie eben noch denken können, er stünde unter einem schlechten Vorzeichen? Sofort musste sie Gernot sprechen. Die gute Nachricht würde ihn versöhnen. Voller Vorfreude schleppte sie sich zur Truhe, auf der ihr Kleid lag. Auf einmal hatte sie es eilig, es überzustreifen. Kaum gelang es ihr, den Surkot ordentlich darüberzuziehen. Den Kamm zog sie mehr schlecht als recht durch das offene aschblonde Haar, wand es zu einem schlichten Knoten im Nacken und setzte eine einfache Haube obenauf. Zum Schluss kniff sie sich in die runden Wangen, fuhr die Augenbrauen mit feuchten Fingerkuppen glatt und leckte die Lippen, damit sie glänzten. Erhobenen Hauptes ging sie in die Wohnstube.
    Unheimliche Stille empfing sie. Niemand saß an der sorgfältig gedeckten Tafel. Unberührt standen die Schalen mit frischem Obst, die Platten mit würzig duftendem Käse und saftigem Schinken darauf. Selbst der Korb mit dem röschen Brot wirkte jungfräulich. Die Fensterflügel zur Straßenseite standen weit offen, der morgendliche Trubel von der Langgasse und dem nahen Markt wehte herein. Noch lag diese Hausseite im Schatten, dennoch war die Sommerglut der letzten Wochen zu spüren.
    Enttäuscht, Gernot verpasst zu haben, trat Editha zum Tisch, schnitt lustlos ein Stück von dem harten Käse ab, naschte eine Pflaume und kramte in dem Brotkorb. Durstig goss sie sich dazu Bier in einen Becher und leerte ihn in

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