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Gold und Stein

Gold und Stein

Titel: Gold und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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Wangen glühen. Hast du etwa Fieber?«
    »Das ist keine Fieberröte. Die gesunde Farbe kommt von etwas ganz anderem. Sieh sie dir nur an: Mit jedem Tag, den sie bei uns ist, wird sie schöner«, flötete Theres. Geschwind reichte sie Agnes ein weiteres Knäuel Garn. Dabei berührte sie ihre zitternde Hand und sah sie aus ihren dunklen Augen eindringlich an. »Was wird Laurenz staunen, wenn er im Frühjahr zurückkehrt, um sie zu ihrer Mutter zu bringen.«
    »Du hast recht!« Marie nickte eifrig. »Wie komme ich nur darauf, zu denken, die Kleine wäre krank? Das Bierbrauen lässt sie wahrlich aufblühen und tröstet sie über das Heimweh hinweg. Zudem tut es ihr gut, gelegentliche Botengänge zu erledigen. Denk auch nur an den einsamen Spaziergang letzten Sonntag. Der hat ihr sehr wohlgetan. Seither hat sie die frisch geröteten Wangen und die strahlenden Augen.«
    »Ein Wunder eigentlich«, fiel Theres ein. »Dabei ist die Luft hier am Pregel nach dem langen, heißen Sommer wahrlich schlecht. Der Fluss stinkt widerwärtig. Manchmal riecht man es bis zu uns in die Krumme Grube hinauf.« Theatralisch kniff sie die Nase zu, was Marie auflachen ließ. »Übertreib nicht so! Die ersten Herbststürme werden bald für Linderung sorgen und den Gestank aus den Straßen pusten.«
    »Zunächst aber sieht es so aus, als sorgten sie eher dafür, dass so manch einem der Kopf kräftig durcheinandergepustet wird. Oder sollte ich besser sagen: das Herz?«
    Süß lächelte Theres Agnes an. Die wäre am liebsten im Erdboden versunken. Marie versetzte der Gefährtin einen mahnenden Stoß in die Seite. »Was gäbe ich darum, mir den Wind noch einmal derart unbeschwert um die Nase wehen zu lassen!«
    »Wenn du magst, kannst du das gleich haben.«
    Erschrocken fuhren die Mägde herum. Wieder einmal war es ihrer Meisterin gelungen, unbemerkt die Werkstatt zu betreten. Zunächst prüfte Agatha die auf dem Tisch liegenden fertigen Borten, dann nickte sie zufrieden und wandte sich Marie zu: »Wenn du Lust hast, darfst du heute an Nedas’ Seite Bier ausfahren. Meister Holbein hat zwei Fässer für seinen Krug an der Sackheimer Kirche bestellt. Theres wird in der Werkstatt gut allein klarkommen, und für Agnes habe ich eine andere Aufgabe. Unser lieber Brauknecht wird über deine Begleitung mehr als entzückt sein.«
    Entgeistert starrte die dickliche Magd Agatha an, während Theres belustigt kicherte.
    »W-w-was um aller Welt … W-w-w-wieso ich? Ich dachte, Nedas hat ein Auge auf Theres …« Zu mehr als einem unzusammenhängenden Stottern war Marie nicht fähig. Ihre runden Wangen glühten.
    »Wie kommst du darauf, Nedas habe ein Auge auf Theres geworfen?«, fragte Agatha. »Seit er uns hier beim Brauen hilft, versucht er immer wieder verzweifelt, deine Aufmerksamkeit zu erringen.«
    »Das ist nicht wahr!« Marie schlug die Hände vors Gesicht.
    Auf einmal war es mucksmäuschenstill in der Werkstatt. Selbst Theres verkniff sich eine freche Bemerkung. Stattdessen schlich sie zu ihrer Freundin, legte ihr den Arm um die rundlichen Schultern und drückte sie zärtlich an sich. »Wie schön, Liebes! Habe ich dir nicht immer schon gesagt, er wäre eine gute Partie für dich?«
    »Glaubst du wirklich?« Langsam ließ Marie die Hände sinken. Ihr Gesicht war feucht von Tränen, die Augen waren verquollen. Als Theres gerührt nickte, verwandelte sich ihr Antlitz rasend schnell. Auf einmal lag ein geheimnisvolles Strahlen darauf, auch die hellen Augen funkelten. Theres, Agatha und Agnes wechselten einvernehmliche Blicke: So sah unverhofftes Glück aus!
    »Nun geh schon! Der gute Nedas hat wirklich lange genug auf dich gewartet.« Die Muhme schubste sie zur Tür.
    »Viel Glück!« Theres klopfte ihr aufmunternd auf die Schulter, scheu strich Agnes ihr beim Vorübergehen über den Arm.
    »Ist es nicht immer wieder schön zu erleben, wenn zwei, die schon lange füreinander bestimmt sind, sich tatsächlich finden?« Die Stimme der Muhme klang rauh. Als Agnes sich zu ihr umdrehte, bemerkte sie zum ersten Mal Tränen in ihren verschiedenfarbigen Augen. Hastig wischte sie die Augenwinkel, tat, als müsste sie das blonde Haar unter die Haube zurückstecken, und strich dabei nachdenklich über ihr Muttermal an der linken Stirnseite. »Los, ihr zwei! Maries Glück ist kein Grund für uns, den Tag zu vertrödeln. Theres, du wirst heute die Borten für die Fischartin in der Altstadt fertigen.«
    Agnes zuckte zusammen.
    »Ich sehe, du hast schon damit

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