Gold und Stein
begonnen.« Agatha begutachtete den Schweifrahmen, an dem die Magd hantierte. »Das wird dir wieder gut gelingen. Zwei dunkelrote mit grünen und gelben Stickereien hat die Fischartin bestellt sowie eine blaue, durchwebt mit Goldfäden. Alle drei ganz ähnlich denen, die sie bereits zu Pfingsten bekommen hat. Du weißt, wie genau sie es mit ihren Vorstellungen nimmt. Sie ist keine leichte Kundin.«
»Sie ist eine dicke, verwöhnte alte Metze«, zischte Theres.
»Hüte deine freche Zunge, meine Liebe! Du weißt, mit der Fischartin sollte man sich gut stellen. Grollt sie einem, kann das nur übel ausgehen.«
»Schon gut«, murrte Theres kleinlaut. »Doch Ihr wisst, wie recht …«
»Die Fischartin ist eine treue Kundin. Das reicht. Agnes wird die Borten zu ihr bringen, sobald du fertig bist.«
Agnes stockte der Atem. Gewiss würde die gute Frau sofort spüren, wie sehr ihr Caspar gefiel. Das wäre ihr äußerst unangenehm.
»Oh ja«, setzte Theres noch einmal in frechem Ton an. »Es ist ja auch nicht daran zu denken, dass die gute Frau selbst herkommt, um die Borten zu holen. Heißt es nicht, sie meidet den Löbenicht, als wohnte hier der Leibhaftige, der sie zu sich in die Hölle holen will? Dabei passt sie genau dorthin. Ihr englisches Fluchen hat sie gewiss beim Teufel höchstpersönlich gelernt. Wie töricht von ihr zu glauben, niemand würde es hören.«
»Sei nicht so vorlaut!« Agatha schüttelte missbilligend den Kopf. »Komm, Agnes, wir beide gehen nach draußen. Es ist einfach ungehörig, wie Theres über eine unserer besten Kundinnen herzieht. Vergiss es sofort wieder, Liebes.«
In der Diele griff sie zielsicher nach dem Besen, der gleich neben dem Herd an der Wand lehnte. Agnes zögerte, ob sie sie nach der Fischartin fragen durfte, doch Agatha kam ihr zuvor. »Bevor es wieder regnet, sollten wir rund um unser Haus für Ordnung sorgen. Der Staub liegt viel zu dick auf dem Pflaster. Oder willst du lieber im dunklen Keller die Vorräte durchsehen? Nein«, winkte sie ab, »das mache ich besser selbst. Du bist noch nicht lange genug bei uns, um zu wissen, was wir an Äpfeln, Birnen, Erbsen, Kohl und dergleichen für den langen Winter brauchen. Lediglich beim Bier weißt du längst besser Bescheid als ich. An Malz und Hopfen quillt der Speicher derzeit über. Also raus mit dir, Kind, an die frische Luft. Das wird dir nach den langen Tagen an der Sudpfanne guttun.«
Agnes war froh, den restlichen Vormittag vor dem Haus verbringen zu können. Das Fegen des Straßenpflasters erwies sich trotz des Drecks, der dabei aufwirbelte, als angenehme Tätigkeit, um den Kopf freizubekommen.
»Gott zum Gruße, liebes Fräulein Agnes!« Der Gewandschneider von gegenüber beugte sich zum Fenster heraus. »Was gibt es Neues? Wird Euch heute eine Pause an der Sudpfanne gegönnt? Vergesst nicht, mir nachher wieder eine Kanne Eures köstlichen Bieres zu bringen.«
»Mir auch!«, rief es aus der benachbarten Gürtlerwerkstatt herüber. Der Meister ließ den Hammer sinken, mit dem er gerade ein Stück Messing bearbeitete. »Gestern habt Ihr mich vergessen.«
»Tut mir leid«, entschuldigte sich Agnes, »aber wir hatten mit dem Brauen alle Hände voll zu tun. Schickt doch eine Eurer Mägde, dann bekommt Ihr Euer Bier.«
»Wenn er eine hätte!« Gehässig kicherte der Gewandschneider und winkte Agnes zu seinem Fenster, um ihr hinter vorgehaltener Hand zuzuflüstern: »Die letzte hat der alte Griesgram mit einem Fußtritt in den Hintern aus dem Haus gejagt. Jetzt ist er ganz allein. Kein Knecht, keine Magd, keine Frau und keine Kinder, niemand ist ihm geblieben. Wenn er nicht so wunderschöne Schnallen und Gürtel fertigen würde, hätte man ihn wohl schon aus dem Löbenicht vergrault.«
»Hört nicht auf den dürren Schwätzer! Der hockt doch selbst seit Jahren mutterseelenallein in seinem Haus. Bei dem hält es nicht einmal die Katze lange aus.« Der Gürtlermeister lachte ihr zu, was wiederum den Schneider zu einem missbilligenden Schnaufen veranlasste.
»Ich glaube, ich fege besser auf der anderen Seite weiter, sonst werde ich nicht fertig und bekomme Ärger mit meiner Muhme«, wandte sich Agnes hastig von den beiden ab. Bald versank sie über den gleichmäßigen Strichen wieder ganz in ihren Gedanken. Caspars unbekümmertes Lachen stand ihr vor Augen, seine rührende Unbeholfenheit im Umgang mit Mädchen. Davor schob sich immerzu das Bild einer kleinen, bösen Frau, die unverständliche Worte in einer fremden Sprache
Weitere Kostenlose Bücher