Gold und Stein
»Mein Gemahl weiß ebenso Bescheid wie Ihr. Warum also sollte ich mit ihm noch einmal darüber sprechen?«
»Darüber nicht direkt, meine Teuerste«, wand sich Perlbach unbeholfen. »Vielmehr geht es darum, dass es Anzeichen gibt, Euer verehrter Herr Gemahl unterhalte trotzdem noch enge Handelsbeziehungen nach Danzig und Bremen. Ihr könnt Euch denken, wie unerfreulich das für uns alle ist.«
»Passt auf, was Ihr da sagt, mein Lieber!« Ein schlimmer Verdacht reifte in ihr. Das also war der Grund, warum Gernot Caspar auf Reisen nach Danzig und Bremen schicken wollte: Der Junge sollte ihm als Mittelsmann zu den Abtrünnigen dienen. Auf London war er nur eingegangen, um überhaupt ihr Einverständnis zu Caspars Abreise zu erlangen. War der Junge erst einmal weg, war es nur eine Frage der Zeit, bis Gernot ihn für seine Zwecke einspannen würde. Damit stand ihr Gemahl nicht nur im Begriff, seine Altstädter Zunftgenossen zu hintergehen, sondern auch seinen arglosen Sohn für diese verdammenswürdige Schandtat zu missbrauchen.
Good grief!
Wie weit war es mit Gernot gekommen? Während die anderen Kaufleute am Pregel sich auf ihren Treueid für die Deutschordensritter besonnen und alle Kontakte zu den aufrührerischen Städten des Bundes abgebrochen hatten, unterhielt Gernot im Verborgenen beste Beziehungen zu den Verrätern. Wahrscheinlich wollte er sich die Türen in alle Richtungen offen halten und sowohl mit der wiederhergestellten Ordensmacht als auch mit den Bündischen seine Geschäfte tätigen. Jäh fiel ihr ein, wie hoffnungsvoll er von neuen Beziehungen nach Wehlau gesprochen hatte.
Good gracious!
Die dortige Bürgerschaft kämpfte entschieden gegen die Kreuzherren. Unlängst hatten sie mit den Rastenburgern einen Vorstoß gegen die Ordensburg in Tapiau unternommen. Editha schauderte. Je länger sie über Gernots Verhalten nachdachte, desto weniger konnte sie es begreifen. Auch wenn sich die einzelnen Stücke so passgenau zusammenfügten, es konnte einfach nicht sein. Seit gut zwanzig Jahren kannte sie Gernot, hatte ihn in hellen und in finsteren Zeiten erlebt. Solch abenteuerliche Geheimniskrämerei passte einfach nicht zu ihm. Entweder log Perlbach, oder aber jemand hatte Gernot eine Falle gestellt, und er war ahnungslos hineingetappt.
For heaven’s sake!
Was war das für eine Sache mit Wehlau? Nie zuvor hatte er engere Verbindungen dorthin unterhalten, warum also ausgerechnet jetzt? Dem musste sie auf den Grund gehen.
»Habe ich Euch erschreckt?«, platzte Perlbach in ihre Gedanken. »Verzeiht. Nichts lag mir ferner, als Euch in Verwirrung zu stürzen, meine liebe Fischartin. Bedenkt bitte: Noch ist nichts bewiesen. Als einer der ältesten Freunde Eures Gemahls kann und will ich mir nicht vorstellen, dass er zu solchen Dingen überhaupt fähig ist. Deshalb bitte ich Euch, dass Ihr ganz behutsam …«
»Ihr wollt mir doch nicht allen Ernstes vorschlagen, ich soll meinen eigenen Gemahl aushorchen? Ihm klammheimlich eine Falle stellen, um ihn dann öffentlich des Verrats an seiner Zunft und der gesamten Altstädter Bürgerschaft zu bezichtigen?« Mit jeder Silbe wurde ihre Stimme schriller. Vor Empörung bebte ihr Leib. Perlbach konnte nicht ahnen, was sie zudem befürchtete: dass die Hundskötterin Wind von der Sache bekam und damit den Preis für ihr Schweigen in unermessliche Höhen schraubte. Sie griff sich an den Hals, schnappte nach Luft.
»Haltet ein, Teuerste, ich flehe Euch an!« Ihre heftige Reaktion trieb dem Kaufmann den Schweiß auf die Stirn. Ängstlich äugte er umher, wer Zeuge ihrer Unterredung geworden sein könnte. »Aufsehen gilt es in jedem Fall zu vermeiden, meine Liebe. Nie im Leben würde ich wagen, Euch vorzuschlagen, Euren Gemahl auszuhorchen und am Ende gar öffentlich anzuprangern!«
Jetzt war es an ihm, zitternd vor Empörung innezuhalten und nach Luft zu ringen. Erwartungsvoll sah sie ihn an. Das machte ihn verlegen. Erst nach geraumer Zeit war er in der Lage, unsicher fortzufahren: »Ich dachte also, vielleicht wäre es Euch möglich und Ihr könntet in den nächsten Tagen etwas mehr darauf achten, mit wem Euer Gemahl derzeit zu tun hat, von wem er Nachrichten erhält, welche Geschäfte ihm gerade besonders am Herzen liegen.«
Bang suchte er ihren Blick. Als sie ihn weiter nur schweigend ansah, fühlte er sich bemüßigt, unterwürfig hinzuzufügen: »Ich bin mir sicher, binnen kürzester Zeit wird sich der Verdacht gegen den guten Gernot Fischart als absolut haltlos
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