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Gold und Stein

Gold und Stein

Titel: Gold und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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jemand nach mir gefragt?«
    »Wer sollte nach dir gefragt haben? Denkst du an jemand Bestimmten?«
    Griets Reaktion war Antwort genug. Wie hatte sie so von sich eingenommen sein können? Alles um Agnes herum begann sich zu drehen. Von neuem meinte sie, aufziehende Nebelschwaden auszumachen. Fast hoffte sie, sich darin auflösen zu können. Was wollte sie noch hier? Vermissen würde sie niemand. Der Mutter, Lore und Griet fiel sie seit Tagen zur Last. Laurenz Selege hatte ihr zu verstehen gegeben, ihr künftig aus dem Weg gehen zu wollen. Und dieser andere aus den Träumen, der ihr Feuermal trug, war nur ein Fieberwahn. Sie presste die Augen zu. Rasch wollte sie vergessen. Dabei ahnte sie längst, dass ihr dies mit Laurenz niemals gelingen würde, auch wenn er selbst inständig darum gebeten hatte. Sie hatte von dem süßen Topf der Lust gekostet, und er hatte sie dazu verführt, mehr davon zu schmecken. Heiß brannten ihr die Lippen, als spürte sie wieder seinen Kuss. Rief sie sich die Umarmung mit ihm in Erinnerung, brodelte ein Feuer in ihr auf. Einmal noch wollte sie sich an ihn schmiegen … Sie erschrak: Diese Lust war es, deretwegen Laurenz sie von sich gestoßen hatte! Er hatte gespürt, welches Verderben von ihr ausging. Scham erfasste sie. Ihre Wangen begannen zu glühen, Tränen schwammen ihr in den Augen. Sie zog die Bettdecke hoch bis zum Kinn, kämpfte gegen das Aufschluchzen an.
    »Was ist mit dir?« Griet beugte sich über sie und strich ihr sanft über die Wange. »Bist du verliebt?«
    Die direkte Frage brachte Agnes vollends aus der Fassung. Sie stöhnte, warf sich zur Seite, zog die Decke über den Kopf.
    »Ach Kleines, ist das schön!« Griets Stimme überschlug sich vor Freude. Auf einmal hatte sie es nicht mehr eilig, nach unten zu gehen. Sie stellte die Schale ab und setzte sich auf die Bettkante. »Beim ersten Mal ist es völlig neu und eigenartig. Da weiß man noch gar nicht, wie man damit umgehen soll. Zu nah liegen Freud und Leid beieinander. An einem Tag ist man ganz von schier unbeschreiblichem Glück erfüllt. Man schwebt auf einer Wolke, tanzt federleicht durch die Lüfte, sieht vor lauter Übermut duftende Rosenblätter auf die sonnenüberflutete Erde herabregnen. Alles gelingt. Am nächsten Tag aber ziehen schwarze Gewitterwolken auf, die Rosen sind verblüht, die Dornen fügen einem schmerzhafte Stiche zu, der Sturm bricht los. Vor Kummer möchte man sich in einer Höhle vergraben, das Tageslicht bis zum Ende aller Tage meiden. Ängste plagen einen. Man fragt sich, ob es richtig ist, was man in seinem Herzen fühlt. Ob einem das große Glück wirklich zusteht und man es so eigensüchtig auf Dauer für sich und den Liebsten beanspruchen darf. Jedes noch so geringe Vergehen aus der Vergangenheit fällt einem ein, das einen des Glücks unwürdig machen könnte. Zweifel nagen, ob man vielleicht einem Wahn aufgesessen ist und der Liebste die Gefühle gar nicht in der gleichen Weise erwidert. Inbrünstig sehnt man sich einen Wink des Schicksals herbei.
    Bis man irgendwo in der Ferne einen Fingerzeig erspäht. Plötzlich genügt ein flüchtiger Augenaufschlag des Liebsten, und aller Kummer ist vergessen. Manchmal allerdings wartet man sehr lange, hofft, sehnt, fleht einen Lichtblick herbei, doch es geschieht einfach gar nichts. Das ist bitter. Trotzdem darf man nicht verzweifeln. Es gibt die vielfältigsten Gründe, warum der erhoffte Hinweis ausbleibt oder der Liebste vorübergehend aus dem Blickfeld gerutscht ist. Genauso gut wie ein schlechtes kann das auch ein gutes Zeichen sein. Deshalb darfst du niemals zu schnell die Hoffnung verlieren. Am nächsten Tag schon kann aller Kummer vergessen sein und du genießt den schönsten Moment des Lebens! Ach, wie selig sind diese Gefühle. Daran merkt man, warum man auf Gottes Erden wandelt: einzig, um zu lieben und geliebt zu werden. Darum dreht sich das ganze Leben, darin liegt der Sinn und Zweck unseres Daseins.«
    Zärtlich strich sie mit den Fingern über Agnes’ Rücken. Unter der Berührung stellten sich Agnes die Nackenhaare auf. Ihr Leib bebte. Abermals loderte die Glut in ihr auf. Erschrocken biss sie sich auf die Lippen. Griet nahm ihre Hände zurück. Eine seltsame Kälte breitete sich in ihrem Körper aus.
    Mit belegter Stimme sprach Griet weiter: »Soll ich dir ein Geheimnis anvertrauen, mein Kleines? Du musst mir aber versprechen, deiner Mutter und Großmutter nichts davon zu erzählen, ja?«
    Agnes konnte nur mit einem stummen

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