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Gold und Stein

Gold und Stein

Titel: Gold und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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nicht die Kraft dazu.
    »Ach, Liebes, ist das schön! Wahre Liebe zu finden ist ein ganz besonderes Geschenk. Es ist sehr rar. Deshalb sollte man es nur zu gern annehmen, wenn es einem derart untertänig angeboten wird. Allzu oft wird sich die Gelegenheit nicht im Leben bieten.«
    »Wann hast du mit Laurenz gesprochen?«, überging Agnes die Bemerkung. »Ich dachte, er wollte sich künftig von mir, nein, von uns allen fernhalten.«
    »Hat er das gesagt? Ach, meine arme Kleine!« Liebevoll tätschelte Lore ihr die Wange. »Wie gut, dass ich gleich erraten habe, wie es um euch beide steht. Als du letztens so verzweifelt und völlig durchnässt nach Hause gekommen bist, war mir klar, dass ich dir helfen muss. Deshalb bin ich gleich am nächsten Tag zu Laurenz Selege gelaufen und habe ihm alles erzählt. Ich wusste ja, dass ich ihn im Haus der Steins gleich beim Rathaus finde. Seither habe ich ihn jeden Tag getroffen und ihm berichtet, wie es dir geht. Stets hat er ungeduldig auf mein Auftauchen gewartet. Er ist ein verliebter junger Narr! Nur Männer können so sein. Du darfst nicht alles so ernst nehmen, was einer wie er im ersten Liebestaumel sagt. Es hat ihn wohl völlig unvorbereitet getroffen, dir gegenüberzustehen und sogleich so tief für dich zu empfinden. Männer fürchten sich davor, sich zu ihren Gefühlen zu bekennen, erst recht, wenn ihnen klarwird, welch weitreichende Folgen das haben kann. Mitte zwanzig wird er schon sein. Das ist recht alt für einen Burschen, um eine solche Erfahrung zu machen. Das liegt wohl daran, dass er bislang einzig für seine Arbeit und seine Kunst gelebt hat. Nach Wehlau ist er gekommen, um einige gut bezahlte Aufträge zu übernehmen. Seit Jahren zieht er durchs Land, ist heute hier, morgen dort, hat ein unstetes Leben und keine Eltern mehr, die zu Hause auf ihn warten. Kein Wunder, dass es ihn wie aus heiterem Himmel trifft, wenn er plötzlich jemandem wie dir gegenübersteht, der dieses Dasein völlig auf den Kopf stellt. Er muss sich entscheiden, wie er weiterleben will: frei und ungebunden, dafür aber einsam und ohne Liebe, oder fest verwurzelt an einem sicheren Platz, dabei künftig nicht nur für sich, sondern auch für andere verantwortlich. So etwas stürzt einen Mann in größte Not. Da kann er schon mal im ersten Moment den Kopf verlieren und törichte Dinge tun oder sagen. Ach, wenn du nur meinen Ewald gekannt hättest! Der war sogleich bereit, sein ganzes Leben für mich hinzugeben. Leider ist es am Ende auch so gekommen.«
    Sie biss sich auf die Lippen und senkte den Kopf. Agnes wusste nicht so recht, was sie nun glauben sollte. Offenbar kannte Lore nur die eine Seite der Geschichte, sah nur die Liebe, die Laurenz für sie empfand. Was sie beide womöglich noch miteinander verband, ahnte sie nicht. Also hatten weder Laurenz noch Gunda ihr gegenüber eine Andeutung zu der Geschichte mit den Zwillingen fallenlassen. Konnte es sein, dass die Großmutter nichts ahnte? Gewiss war sie Gunda damals nicht von der Seite gewichen. Sie hätte sowohl die beiden Kinder mit dem Feuermal als auch jenen zehnjährigen Jungen mit den verschiedenfarbigen Augen miterleben müssen. Beides aber würde eine Frau wie Lore nicht vergessen. Warum hatte sie ihr nie davon erzählt? War sie tatsächlich fähig, ihr gegenüber kühn die Ahnungslose zu geben?
    Aufmerksam musterte Agnes das geliebte Gesicht der Großmutter. Sie konnte und wollte sich nicht vorstellen, dass Lore seit Jahren eine derart große Lüge ihr gegenüber aufrechterhielt. Nie im Leben würde sie sie weiterhin so anlächeln, zu ihr so selbstverständlich von Liebe und großen Gefühlen sprechen.
    Matt sank sie ins Kissen zurück. Es war alles zu viel für sie. Das Einzige, was sie begriff, war, dass Laurenz recht hatte: Die traurige Geschichte mit den Zwillingen stand für immer zwischen ihnen und überschattete ihre Liebe. Umso schlimmer, dass er seinem Entschluss untreu geworden war und Agnes nicht in Ruhe lassen konnte. Lore musste ihn in ihrer Unbedarftheit, ihr einen Gefallen tun zu wollen, erweicht haben. Also würde Agnes für sie beide handeln müssen, musste ihn und alles, was mit ihrer Begegnung zusammenhing, vergessen. Daran änderte auch ein so wertvolles, von Herzen kommendes Geschenk wie der Papagei nichts. Es gab keine Zukunft für sie, wollte sie nicht ein für alle Mal mit ihrer Mutter und Großmutter brechen.
    »Ulrich soll den Vogel zurückbringen«, erklärte sie hastig, bevor ihr die aufsteigenden

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