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Gold und Stein

Gold und Stein

Titel: Gold und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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weiter. Auch von den Rüben, Zwiebeln, Pastinaken oder Bohnen hätte sie gern genommen, ebenso lachte sie der helle Käse bei einem der Fettkrämer auf der Westseite des Marktes an. Der würzige Geruch stak ihr lange in der Nase, mischte sich mit dem verführerischen Duft des frischen Brotes, das an einem anderen Stand angeboten wurde. Nicht einmal der aufdringliche Gestank der Garküchen, an denen sich die ärmeren Leute gütlich taten, kam dagegen an.
    Erfüllt von diesen Eindrücken, spazierte Agnes zur nahe gelegenen Ordensburg. Trutzig erhob sich der rote Steinbau im Süden der Lischke an den Ufern der Deime. Der Fluss umschlang ihn in einer großen Schleife, zur Landseite hin grenzte ihn ein tiefer Graben ab. Das verlieh dem Bau eine nahezu natürliche Insellage, was den Vorteil bot, dass sie in alle Richtungen gut zu verteidigen war, wie Laurenz ihr nicht müde wurde zu erklären. Stolz ragte der stufenartig aufgebaute Giebel des Haupthauses gen Norden in den Himmel empor, mehrere Fuß dicke Mauern umschlossen das unregelmäßige Geviert. Selbst hundert Jahre nach den letzten großen Einfällen der heidnischen Schalauer markierte die Burg ein beeindruckendes Bollwerk der christlichen Deutschordensritter gegen die ungläubigen Nachbarn in Schalau und Nadrau. Sie galt als uneinnehmbar. Zuletzt hatten das die aufmüpfigen Bündischen vor gut eineinhalb Jahren erfahren, wie die Wirtin gleich am ersten Abend Laurenz und Agnes berichtet hatte. Binnen weniger Tage hatten sie unverrichteter Dinge abziehen müssen. Seither standen die Labiauer wieder treu auf Seiten des Ordens und hatten sich vom Städtebund losgesagt.
    Neugierig betrachtete Agnes das gewaltige Gebäude. Von außen war nicht zu erkennen, wo im Innern die Arbeiten stattfanden, die Laurenz als Werkmeister beaufsichtigte. Dabei mussten sie recht umfangreich sein, war er doch bereits im Mai und Juni mehrere Wochen vor Ort gewesen. Zudem fuhren unablässig Karren und Fuhrwerke Holz, Ziegel und weitere Baumaterialien zum offen stehenden Burgtor hinein. Gelegentlich meinte Agnes den Geruch von feuchtem Sand und modrigem Gestein in der Nase zu haben.
    Malerisch zeichnete sich der Umriss des rötlichen Klinkerbaus vor der bis zum Horizont flach auslaufenden Umgebung ab. Goldgelbes Sonnenlicht überflutete das von Schilf und hohen Gräsern überwucherte Land. In der Ferne war das satte Grün der beginnenden Moorlandschaft zu erspähen. Durchsetzt von dickem, weißem Gewölk lieferte der tiefblaue Augusthimmel einen kontrastreichen Hintergrund. Lautlos glitt von Süden ein Schiff auf der grünlich schimmernden Deime heran. Mit unzähligen Fässern beladen, lag es tief im Wasser. Eine Schar Enten flog dicht vor dem Bug verängstigt auf, versuchte, rasch das rettende Ufer zu erreichen. Ein halbes Dutzend Gänse plusterte sich drohend auf, um den Eindringlingen Paroli zu bieten.
    »Endlich habe ich dich gefunden. Was machst du hier?« Überrascht fuhr Agnes herum. In großen Schritten hielt Laurenz auf sie zu. Er kam vom Markt herüber. Mit der Sonne im Rücken wirkten die verschiedenfarbigen Augen fahl, sein schwarzer Bart dunkler als sonst. Dass er mitten am Tag nach ihr suchte, war ungewöhnlich.
    »Bringst du schlechte Nachrichten?«, fragte sie bang.
    »Keine Sorge«, versicherte er und fasste nach ihrer Hand. »Lass uns ein Stück den Fluss hinaufgehen, dort sind wir allein und können besser reden.«
    Zielsicher führte er sie südwärts aus der Lischke heraus. Der Weg schlängelte sich hinter der Ordensburg am Ufer entlang. Im trockenen Gras zirpten die Grillen. Es roch süßlich nach reifen Beeren und fauligem Gestrüpp.
    »Was hältst du von dieser Stelle?«, schlug Laurenz vor und wies mit der Hand auf ein hüfthohes Gebüsch nahe der Deime. Zum Weg hin bot es Schutz vor neugierigen Blicken und auf der Seite zum Ufer fand sich ausreichend Platz, bequem zu zweit zu sitzen. Niedergetrampeltes Gras und abgerissene Blütenstengel verrieten, dass sie nicht die Ersten waren, die diese verschwiegene Stelle aufsuchten. Agnes strich das Gras glatt und ließ sich nieder, breitete sorgsam den Stoff ihres Leinenkleids kreisförmig um sich aus.
    »Morgen früh bei Tagesanbruch werden wir aufbrechen«, verkündete Laurenz. »Ein Bote ist vorhin in der Burg aufgetaucht und hat …«
    »Kam er aus Wehlau? Haben die Weißmäntel schon losgeschlagen?«, platzte sie aufgeregt dazwischen.
    »Beruhige dich! Noch ist nicht viel geschehen.« Behutsam fasste er sie an den

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