Gold und Stein
die Gelegenheit gern beim Schopf. Immerhin sind insbesondere die Ordenshäuser allesamt vortreffliche Bauwerke. Bei meinen Aufträgen kann ich vieles lernen. Im Gegensatz zu ihren böhmischen Söldnern bezahlen die Weißmäntel ihre Werkmeister übrigens zuverlässig und äußerst großzügig. Alles in allem tue ich das, um die Jahre für mein Vorankommen zu nutzen und Geld beiseitezulegen. Eines Tages will ich mit dem Herumreisen aufhören und mich niederlassen, am liebsten in meiner Heimatstadt Löbenicht am Pregel. Einen eigenen Hausstand will ich gründen und den Rest meiner Tage als Baumeister verbringen, um für reiche Menschen große und schöne Gebäude zu errichten.«
»Warum sprichst du davon, als läge das alles noch in weiter, ferner Zukunft?«, hob sie leise an, um schließlich aufzubrausen: »Warum redest du nur davon, was
du
tun willst? Wo bin ich bei all diesen Plänen? Hast du darin keinen Platz für mich?«
»Genau darum geht es«, erwiderte er ruhig, lächelte und packte sie an den Schultern, um sie wieder eindringlich anzuschauen. »Das ist der zweite Punkt, weshalb wir morgen schon von hier fortmüssen.«
»Was?«
»Das Auftauchen des Boten heute ist eine gute Gelegenheit, unseren gemeinsamen Weggang zu erklären«, fuhr er fort. »Dem Pfleger drüben in der Burg ist zu Ohren gekommen, dass meine
Base
mit mir zusammen im Krug am Markt wohnt. Wahrscheinlich hat es ihm der zweite Werkmeister zugetragen. Der sucht schon seit längerem nach einer Gelegenheit, mich loszuwerden. Ich möchte nicht, dass der Pfleger morgen zur Wirtin geht und sich dort nach uns beiden erkundigt. Auch will ich vermeiden, dass er dich befragt. Du kannst und darfst ihm keinesfalls offen ins Gesicht lügen.«
»Aber …«, versuchte sie, ihm zu widersprechen, doch er schnitt ihr das Wort ab. »Niemals darfst du lügen! Es ist schlimm genug, dass wir der Krügerin nicht die Wahrheit gesagt haben und sie sie wahrscheinlich trotzdem ahnt. Deshalb sollten wir beide morgen von hier verschwinden.«
»Du schämst dich meiner.«
»Sei nicht töricht!« Aufgebracht ging er auf der kleinen Lichtung auf und ab, fuhr sich mit der linken Hand durch den schwarzen Bart, stützte die Rechte in den Rücken und hielt den Blick angestrengt zu Boden gerichtet. Jäh blieb er stehen, wandte sich ihr wieder zu. »Du erfasst nicht den Ernst der Lage: Ich habe dich ohne das Wissen und die Einwilligung deiner Mutter aus Wehlau fortgebracht. Wir sind nicht miteinander verwandt, von Base und Vetter keine Spur. Also leben wir offen in Sünde. Davon darf niemand erfahren, das ist dir doch klar, oder? Glaub mir, Liebste«, er trat wieder ganz dicht zu ihr hin, fasste nach ihren Händen und suchte ihren Blick, »nichts täte ich lieber, als das auf der Stelle zu ändern. Bislang aber fehlen mir die Mittel, dich zu heiraten und mit dir einen Hausstand zu gründen. Lass uns noch ein, zwei Jahre warten. Dann sieht alles schon ganz anders aus.«
»Du willst noch ein, zwei Jahre warten? Letztens hat sich das noch anders angehört. Was wird bis dahin? Wie stellst du dir das vor?« Entsetzt schüttelte sie seine Hände ab. »Wer bist du eigentlich? Warum sagst du mir nicht endlich die ganze Wahrheit über dich? Meinst du nicht, ich hätte ein Recht darauf? Immerhin habe ich mich dir blindlings anvertraut, viel mehr noch: Ich habe mich dir vollends ausgeliefert! Du hast von mir das höchste Gut bekommen, das eine Frau einem Mann zu geben vermag. Ist es dir nur darum gegangen? Dich muss das nicht weiter kümmern. Für einen Mann bedeutet das kaum etwas. Wenn du mich fallenlässt, habe ich ein für alle Mal meine Ehre verloren. Allein in deiner Hand liegt es, mich vor dem Elend zu bewahren. Kannst du dir vorstellen, was es für mich heißt, du wolltest jetzt noch nicht heiraten, in ein oder zwei Jahren
vielleicht?
Was, wenn du dich zwischenzeitlich eines anderen besinnst? Wenn du vielleicht eine bessere Verbindung eingehen kannst? Vielleicht fragst du dich jetzt noch einmal, wer von uns beiden den Ernst der Lage nicht erfasst.«
»Wie kannst du nur denken, ich …« Weiter kam er nicht. Ihm versagte die Stimme. Seine Schultern sackten nach vorn. Die verschiedenfarbigen Augen schimmerten feucht, die Lippen bebten.
Sie zauderte, rang mit sich. Ein weiterer Blick in sein verstörtes Antlitz brach allen Widerstand. Aufschluchzend fiel sie ihm in die Arme. »Verzeih! Das habe ich nicht so gemeint.«
Eng umschlungen standen sie da. Es tat gut, nach dem
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