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Gold

Gold

Titel: Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Cleave
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Bonjour, Kumpel. Der Franzose hatte gelächelt, war aber vor Angst fast gestorben. Jack hatte Mitleid mit ihm gehabt. Es war nicht leicht, gleich in der ersten Runde gegen Jack Argall zu fahren.
    Das Velodrom in Peking war der pure Wahnsinn. Brechend voll. Zwanzigtausend Zuschauer auf den Tribünen, und die Hälfte von ihnen fotografierte. Während der Countdown lief, blitzten die Kameras auf, ein einziges drängendes Lichternetz, das über der Menge schimmerte und pulsierte wie die Haut eines Tiefseegeschöpfes. Und der Lärm, den die Menge verursachte – einfach kolossal. Jack bekam Angst. Er hatte Kopfhörer im Helm und einen iPod im Ärmel seines Trikots. Die Drambuie Kirkliston Pipe Band stimmte dröhnend Battle of Killiecrankie an, mit dem man dem Teufel das Fürchten beibringen konnte, aber es reichte nicht aus, um die Menge zu übertönen. Die ganze Bahn erbebte. Er spürte das Summen der Menge, das bis ins Sattelrohr des Rades drang und durch den starren Carbonsattel bis in seinen Hintern. Sogar seine Lunge vibrierte. Seine Zähne summten, als empfingen sie Radiowellen. Die Atmosphäre zerrte an seinen Nerven, riss sie aus seinem Körper und warf sie weg wie die Fäden vom Sonntagsbraten.
    Überall neben der Bahn standen Fernsehkameras. Sie hatten sogar eine Kamera an einer Seilbrücke befestigt, die wie eine riesige schwarze Wespe vor seiner Nase schwebte. Sie zeigte sein Gesicht in zwanzig Metern Größe auf dem gigantischen Bildschirm, der über der Mitte des Velodroms angebracht war. Er trug den Helm mit dem blau-silbernen Visier, das ihm bis zur Nase reichte, und lieferte der Menge sein Judge-Dredd-Gesicht. Die Zuschauer johlten und stampften mit den Füßen, bis das ganze Gebäude erzitterte.
    Er schaute hinüber zum Technikbereich, wo die Support Crew von Team GB wartete. Sein Trainer bedeutete ihm, sich zu beruhigen, auf den Countdown zu konzentrieren und sich nicht mit der Menge zu befassen. Woraufhin Jack natürlich die Hände über den Kopf hob und im Rhythmus der Musik zu klatschen begann. Die Menge brüllte noch lauter. Klatschte mit. Der Lärm war unglaublich. Zwanzigtausend Menschen aus allen Nationen der Erde klatschten im Rhythmus von Battle of Killiecrankie . Einen Moment lang konnte er tatsächlich vergessen, dass Sophie achttausend Kilometer entfernt in einem kleinen Zimmer mit der Chemo begann.
    Er grinste, während er mit der Menge spielte. Sah sich auf dem riesigen Bildschirm klatschen. Man zeigte ihn in Zeitlupe. Wenn sich seine Arme bewegten, wölbten sich die Muskeln so sehr, als wollte sich ein Alien unter seiner Haut herauskämpfen. Herrgott , dachte er, ich bin wirklich unglaublich stark. Die Kamera holte sein Gesicht wieder heran, und er brüllte völlig gedankenlos: »Das ist für dich! Werd schnell gesund, Sophie!«
    Er schaute zu seiner Crew hinüber. Der Mechaniker stand neben seinem Trainer. Schon vor Stunden hatte er Jacks Rad auseinandergebaut, gesäubert, geölt und wieder zusammengesetzt, wobei er Jacks Präferenzen auf einen halben Millimeter genau berücksichtigte. Der Mann hatte jede einzelne Innensechskantschraube mit einem digitalen Drehmomentschlüssel auf bis zu 0,5 Prozent ihres Anzugsdrehmoments befestigt. Dann hatte er die Reifen zentimeterweise mit einer Lupe untersucht und auf winzigste Schäden überprüft. Falls er etwas gefunden hatte, hatte er den Reifen ersetzt und von vorn angefangen. Eine Stunde, bevor Jack das Hotel verließ, war sein Trainer im Velodrom erschienen, hatte die Arbeit des Mechanikers überprüft und dafür gesorgt, dass saubere Handtücher bereitlagen und ein Standrad für das Abwärmen aufgestellt und gereinigt wurde. Neben seinem Trainer und dem Mechaniker stand der Co-Trainer. Eine halbe Stunde, bevor Jack eingetroffen war, hatte dieser die Kühltasche mit den isotonischen Getränken fürs Aufwärmen herangeschleppt sowie proteinhaltige Getränke für die Regeneration. All diese Getränke wurden auf Körpertemperatur gebracht, um ihn physiologisch so wenig wie möglich zu belasten. Außer dem Co-Trainer gab es noch den Physiotherapeuten. Er hatte Jack bei seinen Dehnübungen beobachtet und den Massageraum vorbereitet, in dem er nach dem Duschen behandelt wurde. Und dann gab es noch den Mannschaftsarzt, der bei einem Sturz oder Zusammenbruch eingreifen würde, oder auch, wenn jemand einen Anfall bekam, ausgelöst durch die Kombination von Adrenalin, zwanzigtausend aufgepeitschten Menschen und einer Dudelsackmelodie, mit der man des

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