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Gold

Gold

Titel: Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Cleave
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was es dich kostet, nach Hause zu fliegen. In wenigen Stunden wirst du mit deiner Tochter im Flugzeug sitzen, und es wird mehr wehtun als eine Geburt. Und weißt du was? Dadurch wird dir klar werden, dass du ihre Mutter bist.«
    Kate lehnte sich sanft an ihn. »Danke«, flüsterte sie mit Tränen in den Augen.
    »Du schaffst das. Du wirst dafür sorgen, dass sich deine Tochter erholt. Die Ärzte haben mir gesagt, dass es quälend und mühsam wird und langsam geht, aber sie wird wieder gesund.«
    »Mit mühsamen Wegen kenne ich mich aus. Auch mit quälenden. Aber dass es langsam geht, dabei musst du mir helfen.«

203 Barrington Street, Clayton, East Manchester
    Als die Sonne hinter den Dächern der Reihenhäuser unterging, ließ Jack Sophie ein Bad ein und half ihr beim Ausziehen. Sie wirkte kraftlos und abwesend, saß aufrecht in der Badewanne und drehte den Waschlappen halbherzig in den Händen, während Jack sich eine Geschichte für sie ausdachte. Er ließ Luke Skywalker und Han Solo den Millennium Falken durch einen schwierigen Asteroidengürtel steuern. Er sorgte selbst für Action und Soundeffekte und ließ die beiden Helden gegen schier unüberwindliche Hindernisse kämpfen, um einen Angriff der TIE-Fighter abzuwehren. Da Sophie auf nichts reagierte, baute er einen leidenschaftlichen Kuss zwischen Han und Luke im Frachtraum des Falken ein. Dabei wurden sie von Chewbacca ertappt, dessen wütende Reaktion bewies, wie altmodisch er über die menschliche Liebe dachte, was typisch für seine Spezies war, aber gar nicht zu einem so weitgereisten Wookiee passte.
    Jack beobachtete Sophie, doch sie schaute nur mit glasigen Augen auf die Wasserhähne.
    »Hörst du mir überhaupt zu, Fräulein?« Er schnippte mit den Fingern. »Hey! Erde an Sophie Argall. Aufwachen, Sophie!«
    Sie drehte langsam den Kopf und blinzelte ihn an. Sie sah aus wie eine Naturforscherin, die die Umrisse eines gut getarnten Tiers im dichten Laub vermutete.
    »Was?«
    »Geht es dir gut, Liebes?«
    Sie schloss die Augen. »Ich will in mein Bett.«
    Ihre Stimme war bloß ein Flüstern, das kaum das Geräusch der Lüftung übertönte.
    Jack hob sie aus der Wanne, trocknete sie ab, zog ihr den Pyjama an und setzte sie auf seine Knie, um ihr die Zähne zu putzen.
    »Es wird alles gut, Schatz. Du wirst gesund.«
    »Ja.«
    Er küsste sie auf die Stirn. Ihre Haut war heiß, aber das kam vielleicht vom Baden.
    »Kann sein, dass du Fieber hast.«
    Sie zuckte mit den Schultern.
    Jack holte das Thermometer aus dem Schrank und steckte es ihr ins Ohr. 38,6 C°.
    »Ich muss dir Paracetamol geben. Aber wir sagen Mum nichts davon, in Ordnung?«
    »Wieso?«
    »Weil sie morgen ein großes Rennen hat. Wir wollen doch nicht, dass sie sich wegen einer solchen Kleinigkeit Sorgen macht, oder?«
    Sie zuckte wieder mit den Schultern. »Mir geht’s gut«, sagte sie, doch Jack gab ihr zwei Löffel Saft.
    Er brachte sie ins Bett, und sie legte sich anstandslos hin. Sie fühlte sich heißer an als zuvor. Er musste es Kate sagen und durfte es gleichzeitig nicht. Er blieb lange auf der obersten Treppenstufe sitzen, bevor er zu ihr nach unten ging.
    Sie saß mit geschlossenen Augen am Küchentisch, die Hände um die Kante gelegt, leicht nach links geneigt.
    »Tee?«, fragte er leise.
    Sie runzelte die Stirn und hielt die Augen geschlossen. »Psst. Ich visualisiere gerade.«
    Er berührte sie an der Schulter. »Visualisierst du auch eine Tasse Tee?«
    Sie lehnte den Kopf an seinen Arm. »Nur zu.«
    Er machte sich mit Wasserkessel und Teekanne zu schaffen.
    Als er wieder an den Tisch kam, fragte Kate: »Wie geht es Sophie?«
    Er stellte die Kanne ab. »Gut. Ich habe ihr eine Geschichte erzählt, sie war begeistert.«
    Kate schenkte sich eine Tasse ein und blies leicht in den Tee. »Jack Argall, ich habe dir beigebracht, eine Teekanne zu benutzen. Das wird mein Vermächtnis sein.«
    Er betrachtete ihr Gesicht. »Alles okay?«
    »Bin aufgeregt. Ich glaube, ich kann sie schlagen.«
    »Das glaube ich auch. Mach es bloß nicht so wie ich in Peking.«
    Sie griff lächelnd nach seiner Hand. »Jetzt ist es anders. Sophie erholt sich.«
    »Ja«, sagte er strahlend.
    Er betrachtete ihre Hände, die verschlungen auf der Tischplatte lagen.
    Beim Vorlauf in Peking war er gegen einen französischen Fahrer angetreten, dessen Namen er nie erfahren hatte. Er hatte ihm an der Startlinie die Hand gegeben und um der internationalen Beziehungen willen sein Französisch ausprobiert. Er hatte gesagt:

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