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Gold

Gold

Titel: Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Cleave
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einen Blick zu, der sagte: Nein, aber du bist ein Arschloch.
    Er fuhr durch den zähen, immer dichter werdenden Verkehr. Dachte an die Regenerationsphase. Man sollte sich Zeit für sich selbst nehmen und seine Gedanken ordnen, während der Körper die Energie und die Flüssigkeit, die er beim Training verloren hatte, ersetzte und neue Proteine bildete. Man sollte keinesfalls rund um die Uhr unterwegs sein und mit Leistungssport und Krankheit jonglieren.
    Es waren nur noch vier Monate bis zu ihren letzten Olympischen Spielen, doch er und Kate wurden mit jedem Tag müder. Und jetzt kam noch die Regeländerung hinzu, die den Druck auf sie verdoppelte. Ein neuer Schicksalsschlag. Im letzten Jahr hatte das IOC verkündet, dass die Einzelverfolgung als Disziplin gestrichen sei. Das war für sie alle schwer gewesen, denn es bedeutete eine Medaillenchance weniger. Am schlimmsten war es für Kate, weil die Verfolgung ihre beste Disziplin war. Sie hatte die Nachricht klaglos aufgenommen und ihren Körper ganz auf den Sprint eingestellt – und nun das. Er versuchte, die richtigen Worte zu finden, um ihr die Neuigkeit mitzuteilen, konnte aber selbst nicht klar denken.
    Kate schnippte ungeduldig mit den Fingern. Zoe wärmte sich schon seit einer halben Stunde auf. Vermutlich hielt Kate das momentan für ihr größtes Problem. Sie atmete hörbar aus.
    »Kann ich etwas für dich tun?«
    Sie deutete nach vorn auf eine Lücke im Verkehr, die sich soeben geschlossen hatte. »Die hättest du nutzen können.«
    »Vielleicht.«
    »Definitiv.«
    Jack schlug mit der flachen Hand aufs Lenkrad und schaute weg. Sie gab ihm die Schuld am stockenden Verkehr, als könnte er etwas dafür, dass ganz Manchester sich genau diesen Moment ausgesucht hatte, um ins Auto zu springen und Geranien zu kaufen oder Toner für Fotokopierer auszuliefern oder was auch immer Leute machten, die nicht für Olympia trainierten.
    Sophie trommelte wieder mit den Füßen gegen seinen Sitz; Kate schnippte mit den Fingern. Er dachte: Natürlich, es ist ja mein Hauptjob, diese Frauen herumzukutschieren. Er wusste, dass der Gedanke unter seiner Würde war, doch der Ärger ließ sich nicht einfach so vertreiben. Bei ihm war es nicht so knapp wie bei Kate, aber trotzdem. In London durfte nur ein männlicher Sprinter an den Start, und auch sein Körper verfügte nur über eine begrenzte Energie. Seine Konkurrenten waren jetzt in der Regenerationsphase. Sie waren clever genug gewesen, sich Frauen, die keinen Leistungssport trieben, und Kinder ohne Krebs auszusuchen.
    Jack hasste sich für diese Gedanken. Er versuchte, das Lenkrad fester zu umklammern, während er den Wagen durch den trägen Verkehr steuerte. Er wechselte vorsichtig die Spur, damit der Lieferwagen nebenan eine Reklametafel mit Zoe verdeckte.
    »Diese Spur ist noch langsamer«, sagte Kate.
    »Dann hab ich mich wohl vertan.«
    Sie schaute ihn scharf an. »Alles klar mit dir? Du verhältst dich beschissen.«
    »Ich verhalte mich beschissen?«
    »Ja.«
    Er schaute starr geradeaus. »Mir geht’s prima.«
    »War das Training in Ordnung?«
    »Ja, ich hab’s gepackt.«
    »Du lächelst gar nicht.«
    »Ich bin fertig, Catherine, okay?«
    » Catherine ?«
    Er hob die Arme. »Tut mir leid.«
    Sie seufzte. »Mir auch.«
    »Kate, ich bin richtig fertig, verstanden?«
    »Sogar deine kleinen Gesichtsmuskeln?«
    Sie schaute ihn schelmisch an und piekste ihn in die Wange, bis sie ein Lächeln herausgekitzelt hatte.
    »Schon besser.« Und damit hatte sie recht.
    Seine schlechte Stimmung verschwand. Er schaltete den Warnblinker ein, hielt auf der rechten Spur und beugte sich zur Seite, um sie zu küssen. Sie küssten sich, während die übrigen Autofahrer wütend hupten und sie umkurvten. Dabei deuteten sie mit Gesten an, was sie von Jacks Geisteszustand hielten. Sophie bekam Angst.
    » Na los!« , flüsterte sie. » Fahr schon. «
    Jack hatte Mitleid mit ihr, ließ sich aber Zeit. Nun, da sein Ärger verschwunden war, verspürte er den Rausch, der ihn sonst nach dem Training überkam und wie ein angenehmer schmerzlindernder Kokon umhüllte, in dem es ihm schwerfiel, die Bedürfnisse der ungeduldigen Welt über seine eigenen zu stellen. Zögernd löste er sich aus dem Kuss. In solchen Augenblicken überkam ihn eine alte Angst mit neuer Macht: Er konnte nicht begreifen, weshalb sie sich für ihn entschieden hatte und weshalb sie trotz allem, was geschehen war, bei ihm geblieben war und noch immer bei ihm blieb. Manchmal kam er

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