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Gold

Gold

Titel: Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Cleave
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der Eingangshalle des Krankenhauses und kramte das Handy aus der Tasche, um seine Eltern anzurufen. Er warf einen Blick auf den Fernseher über der Rezeption, in dem gerade eine Quizsendung lief.
    Dann überlegte er es sich anders und wählte Kates Nummer. Sie meldete sich, war außer Atem, als wäre sie gelaufen. »Ja?«
    »Ich bin’s.«
    Eine lange Pause. »Ich habe deine Nummer gelöscht.«
    »Hätte ich auch gemacht.«
    »Ja.«
    »Ich habe dich verletzt.«
    »Schon gut. Hör mal, ich laufe gerade, also – «
    »Kate, bitte. Ich möchte es dir erklären. Ich hatte eine Gehirnerschütterung. Ich habe mich erst viel später an dich erinnert.«
    »An Zoe hast du dich erinnert.«
    »Zuerst nicht. Und dann hat sie dafür gesorgt, dass ich sie nicht mehr vergesse.«
    Wieder eine lange Pause. Im Hintergrund war Verkehrslärm zu hören. Dann fragte sie: »Geht es dir gut?«
    »Keine Ahnung. Vor kurzem war ich noch der schnellste Fahrer in der Galaxis, und jetzt sitze ich hier im Rollstuhl mit … warte … neun Pfund vierzig, einem Imbusschlüssel und drei Paracetamol in der Tasche. Mein Bein muss noch einmal operiert werden. Der Doktor schätzt die Chancen, dass ich noch einmal Rennen fahren werde, auf fünfzig zu fünfzig.«
    »Scheiße, das tut mir leid.«
    »Muss es nicht. Endlich mal etwas, das einer Herausforderung wenigstens nahekommt.«
    Sie lachte. »Haben die Ärzte auch gesagt, ob sie etwas gegen dein übergroßes Ego machen können?«
    »Nein, es hat sich leider herausgestellt, dass das völlig inoperabel ist.«
    »Du bist unmöglich.«
    Er lächelte. »Bei dir alles klar?«
    Sie seufzte. »Ich habe mich eine Woche lang selbst gehasst, dann habe ich eine Woche lang Zoe gehasst und dann dich. Ich war gerade wieder bei mir angelangt.«
    »Dann habe ich ja zur richtigen Zeit angerufen.«
    »Hör auf. Seid ihr zusammen?«
    »Nein.«
    »Ist etwas zwischen euch passiert?«
    »Nichts Gutes.«
    »Und deshalb rufst du mich jetzt an?«
    »Na ja, du bist das einzige englische Mädchen, das ich kenne, das noch nicht versucht hat, mich umzubringen.«
    Sie lachte wieder. »Wer sagt, dass ich das nicht noch tue?«
    »Ich habe einen Fehler gemacht. Ich bin auf Zoe reingefallen. Tut mir leid. Das wollte ich dir nur sagen. Viel Glück, und behalte Zoe genau im Auge. Sie ist in Ordnung, aber wenn es ums Gewinnen geht, tut sie Dinge, die nicht gesund sind.«
    Pause. »Danke.«
    »Schon gut. Na ja. Wir sehen uns dann auf der Bahn.«
    »Ja. Erhol dich gut. Und vielen Dank. Danke für den Anruf.«
    Sie beendete das Gespräch, und Jack saß immer noch in seinem Rollstuhl in der Eingangshalle des Krankenhauses. Er umklammerte die Reifen aus Chrom, übte ein bisschen Druck aus und überlegte, wie es wohl wäre, in einem dieser Dinger ein Rennen zu fahren. Vermutlich gar nicht so übel. Dafür brauchte man natürlich einen dieser schicken aerodynamischen Rollstühle, bei denen die Laufrollen weit vorn angebracht waren wie bei einem Formel-1-Wagen. Damit könnte man richtig Gas geben. Er blieb zu lange an dem Bild hängen, das Morphium-High ließ allmählich nach. Er starrte auf sein Handy, dachte an Kates Stimme, und eine hohle Traurigkeit stahl sich in seine Brust. In seinem gebrochenen Bein hämmerte der Schmerz.
    Zum ersten Mal im Leben fühlte er sich zerbrechlich. Er ließ sich in die rissigen Synthetikpolster des Rollstuhls sinken, die Augen auf den Fernseher gerichtet, folgte der Show, in der zwei mit Buzzern ausgestattete Kandidaten die Preise irgendwelcher Gegenstände schätzen mussten, um etwas zu lernen, falls ihn seine Verletzungen zum Zivilisten machten.
    Da klingelte sein Handy.
    »Wo bist du?«, erkundigte sich Kate.
    »Im Krankenhaus. Ich versuche gerade, mich so weit zu berappeln, dass ich zu Hause anrufen und mich abholen lassen kann.«
    Eine kurze Pause. »Rühr dich nicht von der Stelle.«
    Knappe zwei Stunden später marschierte sie noch in ihren Trainingsklamotten in die Eingangshalle.
    »Ich muss irre sein«, verkündete sie und lächelte schüchtern. »Auf der Autobahn habe ich zweimal angehalten. Hätte fast umgedreht.«
    »Du siehst super aus.«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Du siehst beschissen aus.«
    Sie redeten nicht viel. Kate hatte sich von einer Freundin einen alten VW Golf geliehen. Auf der Schnellstraße Richtung Norden hörten sie Radio. Bei Preston kam die Sonne heraus, und The The sangen Uncertain smile , und Jack legte die Hand auf ihr Knie. Sie hob sie beiläufig auf und legte sie behutsam

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