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Goldbrokat

Titel: Goldbrokat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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einen fulminanten Seidenblumenaufputz ans Mieder geheftet hatte. Ansonsten hatte unsere Ankündigung wenig Folgen für den Alltag, denn Gernot war bereit, den Hochzeitstermin vom Eintreffen der notwendigen Papiere abhängig zu machen. Nichtsdestotrotz hatte er mich und die Kinder wieder zu einigen Ausflügen eingeladen und dabei gerne die Wünsche Lauras und Philipps berücksichtigt. Die schwelgten nämlich derzeit in ihrer Ritter- und Burgfräuleinphase. Marco Polo und China waren passé, alle Piratenschiffe gekentert, der Wilde Westen Amerikas zivilisiert – das Mittelalter mit seinen hart gepanzerten Recken und waffenstrotzenden Schwertmaiden stand auf dem Programm. In Verbindung damit natürlich alte Burgen und darin tunlichst schaurig spukende Gespenster. Die hatten noch immer Saison.
    Mir gegenüber war Gernot nur wenig verändert. Gut, hin
und wieder legte er mir vorsichtig den Arm um die Taille oder hauchte mir einen Kuss auf die Schläfe, doch sollte er heißere männliche Gelüste hegen, wusste er sie heldenhaft zu unterdrücken.
    Aber er war mir eine große Hilfe und ein anregender Gesprächspartner. Dass ich weiter als Couturière arbeiten wollte, akzeptierte er, hieß es sogar gut. Warum auch nicht? Ich war ja diejenige, die seine Stoffe auf ansprechende Weise präsentierte, und die Damen, die in meinen Modellen gesehen wurden, verbreiteten bei Nachfrage gerne seinen Namen als Seidenfabrikant. Meine Stoffmuster, die von Leander entworfenen und neue, die ich nach dem guten Rat meines Bruders in der Natur gefunden hatte, fanden seine Zustimmung. Es blieb mir aber wegen der Schneideraufträge wenig Zeit, sie alle in die Webvorlage umzusetzen. Es war nämlich Hochzeitssaison, und allenthalben wurden weiße Brautkleider verlangt. Reinheit und Unschuld wollten die ehrbaren jungen Bräute damit zur Schau stellen, und das ließen sie sich einiges kosten. Denn Seide wurde teurer. Gernot berichtete mir von den Schwierigkeiten, die die Seidenbauern überall im Mittelmeerraum hatten. Ich konnte mich also darauf einstellen, dass ich die Preise für meine Kreationen demnächst auch würde erhöhen müssen. Daneben aber half er mir auch, günstige Lieferanten für die Stoffe zu finden, die er selbst nicht produzierte. Andreae lieferte den besten Seidensamt, ein Krefelder Fabrikant schwere Brokate und ein anderer die für LouLou benötigten Wirkwaren. Doch es war Sommer, und Brokat wie auch Samt waren nicht gefragt. Duftige Chiffons, Tüll, Organza und Gaze benötigte ich derzeit in größeren Mengen. Hier verwies er auf die französischen Seidenhersteller und schickte mir Anfang Juli einen Zeitungsausschnitt aus einem Fachblatt, in dem die Firma Dufour & Fils ihre Stoffe anpries. Handschriftlich hatte er hinzugefügt, Monsieur Armand Dufour sei diesen Monat im Rheinland unterwegs, um Geschäftskontakte zu knüpfen. Dazu hatte er mir eine Adresse angegeben, an die ich umgehend einen Brief sandte und um einen
Besuch bat, so die Umstände den werten Herrn nach Köln führten.
    Ich hatte bisher darauf keine Antwort erhalten, aber als ich an diesem Nachmittag eine kniffelige Korsage an einer meiner Schneiderpuppen absteckte, erklang meine Türglocke.Weil ich den Stoff nicht loslassen konnte, rief ich in den Empfangsraum: »Ich bin hier in der Anprobe, kommen Sie doch bitte herein.«
    Ein mir unbekannter Herr trat durch die Tür.
    Wir erstarrten beide wie vom Donner gerührt.
    Er stierte auf meinen chinesischen Teppich, und dabei wollten ihm fast die Augen aus dem Kopf quellen.
    Ich starrte den Mann ebenso fassungslos an und kämpfte beinahe vergebens darum, nicht in ein unheiliges Gelächter auszubrechen. Der Herr mochte Mitte dreißig sein, doch sein kugelrundes, stupsnasiges Gesicht war bereits von fleischigen Falten durchzogen. Insbesondere seine Stirn schlug geradezu Wellen. Die Ursache meiner kaum zu bändigenden Heiterkeit aber war das Gesicht, das aus der Tasche seines weiten Paletots hervorschaute. Schwarze Knopfaugen, wellenschlagende Stirnfalten und eine ausgeprägte Stupsnase kennzeichneten das Tier, das sich eben mit einem leisen Winseln bemerkbar machte.
    Ich nahm mich mit Mühe zusammen, steckte umständlich eine Falte an der Korsage fest und sagte dann nach einem tiefen Atemzug: »Guten Tag, der Herr.Womit kann ich Ihnen dienen?«
    Gewaltsam riss sich der Besucher vom Anblick meines Teppichs los und stellte sich mit starkem Akzent als Armand Dufour vor.
    Erfreut reichte ich ihm meine Hand und wechselte in

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