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Goldbrokat

Titel: Goldbrokat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Erklärung.Vor gut zehn Jahren mietete ich dieses Haus, um hier mit meiner Frau Wohnung zu nehmen. 1852 aber trat ich einen langen Auslandsaufenthalt an und konnte keinen regelmäßigen Kontakt mit den Meinen halten. Ich bin eben erst aus China heimgekehrt und finde nun zu meinem Bedauern, dass mein Nest von einem anderen Vogel bewohnt wird, Frau Sperber.«
    »Oh!« Sie lachte leise auf. »Nun, wie betrüblich für Sie. Setzen Sie sich doch, wir sollten die Fäden entwirren. Einen Kaffee, Herr Kusan?«
    »Bitte machen Sie sich meinetwegen keine Umstände.«
    »Ach nein, es wäre jetzt sowieso an der Zeit.« Sie klingelte nach der Haushälterin und gab entsprechende Anweisungen.
    »Aus China!«, sagte sie dann mit Ehrfurcht in der Stimme. »Was für eine lange Reise.«
    »Ja, es war eine lange Reise und eine lange Zeit. Deswegen ist es nun auch zu diesem Missverständnis gekommen, und ich muss mich wohl auf eine schwierige Suche nach meinen Angehörigen gefasst machen. Aber möglicherweise können Sie mir behilflich sein.«
    »Ich wüsste leider nicht, in welcher Form, Herr Kusan. Mein Gemahl hat 1854 eine Stelle in der Eisenbahnfabrik angetreten, und wir zogen von Hannover hierher. Er ist Ingenieur, wissen Sie.«
    Darauf war sie sichtlich stolz, und er äußerte sich mit Anerkennung zu diesem technischen Beruf, fragte dann aber weiter: »Sie wissen also nicht, wann die Vormieterin das Haus verlassen hat?«

    »Sicher mehr als ein Jahr zuvor. Die Räume waren in keinem guten Zustand. Staubig, die Fenster blind, die Farbe blätterte schon ab – na ja, der Hausbesitzer war auch verstorben, und die Erben hatten sich wohl eine Weile um den Besitz gestritten.«
    »Damit haben Sie meine nächste Frage beantwortet – auch von ihm werde ich keine Auskunft erhalten.«
    Dorte servierte den Kaffee, und die nächste halbe Stunde verbrachte Drago mit tätiger Reue für seinen unaufgeforderten Besuch, indem er die Dame mit einigen Anekdoten aus China unterhielt.
    Anschließend begab er sich zu seinem Hotel zurück und überlegte die nächsten Schritte. Die Rechtsanwaltskanzlei, in die er damals eingetreten war, existierte hoffentlich noch.
     
    Sie war noch am alten Platz, und als er dem Bürovorsteher seine Karte reichte, erhellte sich dessen Gesicht.
    »Oh, Herr Kusan, Sie? Tatsächlich?«
    Er erinnerte sich zwar nicht mehr an den Namen des alten Kauzen, aber die Begrüßung nahm er als gutes Zeichen. Und wirklich, sein damaliger Kollege empfing ihn geradezu herzlich.
    »Mensch, Kusan! Nach so vielen Jahren! Wie ist es dir ergangen? China, nicht wahr? Erbschaftssache!«
    Wieder musste eine halbe Stunde tätiger Reue absolviert werden, bis er endlich zu seinem eigentlichen Anliegen kam.
    »Deine Frau? Nun ja, das ist sie ja rein rechtlich nicht mehr, nach der Scheidung.«
    »Sie vielleicht nicht, aber die Kinder sind noch immer die meinen, und die suche ich. Hast du irgendwelche Kenntnisse, wohin sie gezogen ist, nachdem ich abgereist bin? Sie muss ziemlich bald das Haus verlassen haben, es sind im Jahr vierundfünfzig neue Mieter eingezogen, und die Dame des Hauses behauptete, es habe zuvor schon eine Weile leergestanden.«
    »Sie hat mir gegenüber damals gesagt, sie überlege, zu ihren Eltern zurückzukehren. Ob und wann sie das getan hat, weiß
ich aber nicht. Warum wendest du dich nicht direkt an deine ehemaligen Schwiegereltern?«
    »Ein delikates Unterfangen, aber es wird mir nichts anderes übrig bleiben, als dort mit der Tür ins Haus zu fallen.«
    »Oder nimm Kontakt zu ihrem damaligen Arbeitgeber in Münster auf, das ist möglicherweise diskreter.«
    »Eine gute Idee.«
    Er setzte sie noch am selben Tag um und machte sich auf eine geraume Wartezeit gefasst. Die Postverbindungen waren zwar durch die Eisenbahnen schneller geworden, aber es dauerte dennoch einige Tage, bis eine Rückantwort eintreffen konnte. Also beschloss er, die Zeit zu nutzen und seine Verbindungen zur preußischen Regierung aufzunehmen. Es gab Handelsinteressen zu berücksichtigen und natürlich auch die politischen Intentionen auszuloten, die in Berlin China gegenüber gehegt wurden. Den aktuellen Zeitungen hatte er entnommen, dass man plante, eine Delegation nach China zu senden, um ähnlich wie Frankreich, England, Russland und Amerika Kontrakte mit dem chinesischen Hof auszuhandeln, die größere Freizügigkeiten in der Nutzung der Häfen und bessere Handelskonditionen erlaubten. Auf Grund seiner Landeskenntnis glaubte er, den Herren mit seinem

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