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Goldbrokat

Titel: Goldbrokat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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kehrten sie zurück, und sein Vater, außer sich vor Wut und Verzweiflung, stritt mit Servatius und verbot ihm, jemals wieder Kontakt zu ihnen aufzunehmen.
    Sein Pate hatte sich daran gehalten. Noch im selben Jahr hatte er Deutschland verlassen und sich in China angesiedelt. Glücksritter, der er war, hatte er seine Chancen gut genutzt und war bald Vertreter eines englischen Handelshauses in Schanghai geworden,
betrieb seine eigenen Geschäfte mit Fortune, wobei er skrupellos genug war, die Vorteile des ersten Opiumkriegs zwischen den Briten und den Chinesen zu seinem Vorteil auszunutzen. Schon bald galt er als tai pan , als großer Handelsherr.
    Er selbst hatte nach dem Tod seines Bruders wie betäubt den Forderungen seines Vaters nachgegeben, seine Matura gemacht, das anbefohlene Jurastudium begonnen und sich jeglicher jugendlicher Streiche enthalten. Doch fern von zu Hause war der Übermut wieder erwacht, und als Servatius ihn 1846 doch noch einmal in Köln aufsuchte, war die Saat gelegt.
    Damals, vor zwölf Jahren, hatte er ihn zum letzten Mal gesehen.
    Fünf Jahre später hatte er sein Testament in den Händen gehalten, in dem sein Pate ihm das Handelshaus in Schanghai anvertraute. Und einiges mehr.
    Deshalb war er nun hier, und aus diesem Grund würde er die kaiserliche Raupe füttern. Denn sie schien ihm ein passendes Sinnbild für das Dasein, das er und Servatius zu führen liebten – beide waren sie von blinder Gier getrieben gewesen. Genau wie die Raupe, die sich blind für alles andere durch die Maulbeerblätter fraß, so hatten sie sich durch das saftige, grüne Leben gefressen.
    Nachdenklich wanderte baixi long , der weißhäutige Drache, zurück ins Kloster.

Webmuster und eine bergische Kaffeetafel
    Zwar ist’s mit der Gedankenfabrik
Wie mit einem Weber-Meisterstück,
Wo ein Tritt tausend Fäden regt,
Die Schifflein herüber-hinüber schießen,
Die Fäden ungesehen fließen,
Ein Schlag tausend Verbindungen schlägt.
     
    Johann Wolfgang von Goethe, Faust I
    Schon eine Woche nach der Eröffnung des Theaters erhielt ich eine Einladung von Gernot Wever, der uns in der Woche vor Himmelfahrt durch seine Seidenfabrik führen wollte. In Philipps Augen erhielt ich dadurch den Rang einer Konteradmiralin, und Laura erhob mich auf den Thron einer Piratenkönigin, beides die denkbar höchsten Auszeichnungen, die eine Mutter in unserem Haus erreichen konnte.
    Tante Caro hatte er auch eingeladen, und das besänftigte ihr in den letzten Tagen ziemlich aufgewühltes Gemüt. Noch immer hatte ich es nicht über mich gebracht, ihr reinen Wein einzuschenken, was meine geschäftlichen Ideen anbelangte. Der Besuch von Paula Engels mit zwei ihrer kleinen Cousinen, die bei ihrer Hochzeit dekorativ Blumen, Schleppe und Schleier tragen sollten, festigte ihren Glauben daran, dass ich nur aus Gefälligkeit den Damen der Gesellschaft meine Kleiderentwürfe zur Verfügung stellte. Da ich ihr erklärte, dass ich Nona als Näherin beschäftigte, duldete sie die junge Frau inzwischen auch im Haus. Nona hingegen verhielt sich so unauffällig wie möglich. Sie aß in der Küche mit den Kindern, nähte oben oder im
Theater und huschte so leise die Treppen hinauf und herunter, dass man sie für ein weißes Gespenst hätte halten können. Mir war sie unentbehrlich geworden. Hatte ich geglaubt, recht gut mit der Nadel umgehen zu können, so belehrte mich die Beobachtung ihrer Fertigkeit eines Besseren. Insbesondere die schwierigen Stoffe, die feine Gaze, Tüll und vor allem seidene Wirkwaren machte sie sich gefügig, während diese Stoffe mir nur zu oft widersetzlich durch die Finger schlüpften. Sie unterhielt sich manchmal beim Nähen leise mit Laura oder Philipp in einem eigenwilligen Mischmasch aus Französisch und Deutsch, war aber ansonsten sehr still. Weder erzählte sie von ihrer Heimat noch von ihrer Familie und hatte wohl auch kein Bedürfnis, dorthin zurückzukehren. Auch ihre Zukunft schien sie nicht weiter zu interessieren. Sie war zufrieden mit der kleinen Dienstbotenkammer, aß, was Hilde ihr auf den Teller füllte, steckte den kleinen Lohn, den ich ihr zahlte, mit einem scheuen Lächeln in ihre Schürzentasche und ging nur selten aus. Wir hatten mit ihr noch einmal den Altkleiderhändler aufgesucht, und aus den dort erworbenen Stücken hatte sie sich mit meiner Hilfe ein einfaches Kleid, zwei Röcke und zwei Blusen geschneidert, LouLou hatte ihr einen warmen Umhang und eine weite Jacke überlassen und ich zwei

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