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Goldbrokat

Titel: Goldbrokat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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kommenden Schauspieler eine ähnliche Abreibung verpasst und einem Musiker, der
wiederholt versucht hatte, ihr unter die Röcke zu fassen, die eigene Fidel über den Schädel gezogen.
    Gute Leistung belohnte sie aber ebenso unbarmherzig. Zwei Serviermädchen, die ehrgeizig genug waren, als Tänzerinnen auftreten zu wollen, half sie beim Einüben ihrer Stücke, den beiden Putzfrauen und Garderobieren steckte sie immer mal wieder eine Münze zu, wenn sie die Spuren besonders ausgelassener Stimmungen beseitigten, Madame Ariane bezahlte sie gut für die ausgefallenen Kreationen, die sie für sie entwarf, und Nona selbst bekam mehr Lohn, als sie ausgeben konnte. Und sie hatte ein eigenes, hübsch eingerichtetes Zimmer, regelmäßige, sehr leckere Mahlzeiten und in Madame LouLou eine Freundin, die ihr täglich die großen und kleinen Ereignisse anvertraute, sodass sie sich wie ein wichtiger Teil des Ganzen fühlte. Dorthin, wo früher ständig Angst wie ätzende Säure in ihr brannte, war Vertrauen getreten. Nicht völliges Vertrauen in alles und jeden natürlich, denn die Sicherheit herrschte nur in ihrem kleinen Kreis. Die Welt draußen war weiter laut und brutal, gewalttätig und unberechenbar. Darum trug sie weiterhin den schmalen Seidenschal in ihrer Tasche. Sicherheitshalber.
     
    Auch an diesem Abend schaute sie hinter den Vorhängen zu, wie LouLou ihren Schmetterlingstanz vorführte. Das hautfarbene Trikot, das sie unter den zahllosen fliegenden, schwebenden Chiffonröcken trug, gab dem Publikum immer wieder Anlass zu ausschweifenden Spekulationen; das wusste sie, weil die Serviermädchen sie Madame lachend berichtet hatten. Im Augenblick aber wurden sie sogar während der Aufführung im Zuschauerraum laut. Gewöhnlich benahmen sich die Besucher des Salon Vaudeville recht anständig. Unteroffiziere, manchmal auch junge Offiziere, Studenten, Angestellte der großen Fabriken, Handelsreisende und natürlich allerlei Damen und Mädchen in ihrer Begleitung erfreuten sich an den leichten Stücken, den frechen Liedern und aufreizenden Tänzen. Anstoß nahm kaum jemand
an den Darbietungen, sie hielten sich dank LouLous Aufsicht auch immer innerhalb der Grenzen des guten Geschmacks.
    Die Gruppe, die sich jetzt lauthals über Madames körperliche Qualitäten ausließ, gehörte zu der Besatzung eines Rheinschiffs. Die Männer hatten sich offenbar schon vor Eintritt in das Theater kräftig Mut angetrunken. Andere Gäste versuchten, sie zum Schweigen zu überreden, was die Schiffer als Eingriff in ihre persönliche Freiheit werteten, woraufhin sie sogar noch lauter wurden. Einige Zuschauer verließen daraufhin die Vorstellung, und LouLou beendete ihren Tanz mit einer schnellen Pirouette.
    »Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte Sie bitten...«
    Sie kam nicht weit mit ihrer Ansprache, das Gejohle wurde lauter, und man forderte sie auf, für das verdammt gute Geld, das man für den Eintritt hingelegt hatte, endlich eine angemessene Leistung zu zeigen.Wie diese auszusehen hatte, deckte sich nicht mit dem für den Abend vorgesehenen Programm. Nona sah, wie LouLou den drei kräftigen Saalhütern einen Wink gab. Sie bahnten sich den Weg zu den Randalierern, um sie an die frische Luft zu befördern. Das allerdings scheiterte an der Sturheit der unerwünschten Gäste.
    Schon flog die erste Flasche, schon klirrte Glas, fiel der erste Tisch um. Frauen und Mädchen flohen kreischend zum Ausgang, einige weitere männliche Gäste betrachteten die Handgreiflichkeiten als Aufforderung, ihre Ehre zu verteidigen, und gleich darauf kochte der Saal. Die Musiker hetzten hinter die Kulissen, die Serviermädchen drückten sich ängstlich an die Wand, da ihnen der Weg zum Ausgang versperrt war, und LouLou versuchte noch einmal, sich Gehör zu verschaffen.
    Nona aber fühlte sich wie gelähmt vor Angst. Zitternd machte sie sich hinter dem Vorhang klein und starrte in die brüllende Menge, die nun mit Stuhlbeinen, Tabletts und Champagnerkühlern aufeinander eindrosch. Gewalttätigkeit verursachte ihr Übelkeit, Atembeklemmung und rasendes Herzklopfen. LouLou
war an den Rand der Bühne getreten und brüllte mit lauter Stimme: »Ruft die Gendarmen!«
    Einer der Matrosen sprang zu ihr hoch und riss sie um. Unflätig grölend zerrte er an ihren Röcken. Ein zweiter folgte und fiel ebenfalls über sie her.
    Der Anblick der kreischenden, strampelnden, kratzenden und spuckenden LouLou setzte eine tief in Nona liegende Energie frei.
    Was ihr einst

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