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Goldbrokat

Titel: Goldbrokat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Nona!«
    »Ja, grausam und seltsam. Ich versteh immer noch nicht, warum, aber ich bin dankbar für rumal. Ich übe viel und heimlich, und schon paarmal hat mir geholfen. Aber der Mann war très mysterieux.«
    »Du hast seinen Namen nicht erfahren?«
    »Nein, Madame. Ich war nachher ein Jahr bei Nachbarn als Spinnerin, dann hat Monsieur de Charnay mich wieder geholt. Es war nicht großer Schaden passiert, Madame. Nur ein Schuppen abgebrannt und Seide von ein Jahr geraubt. Aber Seidensaat und die Bäume waren ganz.«
    »Es wäre großer Schaden entstanden, hätte der Mann Charnay umgebracht«, stellte Madame trocken fest. »Er muss einen gewaltigen Hass auf ihn gehabt haben.«
    »Ja, aber warum ist er dann gegangen? Nur mit Seide, Madame?«
    »Weil du um Charnays Leben gebeten hast? Vielleicht. Er war kein Seemann, sagst du.«
    »Nein, aber er trug Leinenhemd und Hose und Stiefel wie sie. Aber er war anders.« Nona versuchte, sich die lange in das Vergessen gedrängte Begegnung noch einmal vor Augen zu führen. Jetzt, nachdem sie darüber hatte sprechen können, war es leichter, und das Entsetzen von damals war verschwunden. Madame stand auf und füllte ihre Tassen noch einmal mit der süßen Schokolade und gab auch jeweils einen Löffel Cognac in die Tassen.
    »Damit wir besser schlafen können, Nona.«
    »Ich bin nicht müde.«
    »Eben.«
    Dennoch nahm sie die Tasse in die Hände und wärmte sich daran. Der Kakao duftete so köstlich.

    »Madame, der Mann, er sprach meine Sprache, aber wie ein Fremder.«
    »Matrosen und Seeleute kommen aus vielen Ländern.«
    »Ja, weiß ich. Er war groß und stark. Richtig stark, Madame, wie Arbeiter. Aber er hatte einen goldenen Ring an der Hand. Und die Matelots, sie gehorchten ihm.«
    »Und er sprach von Schicksalsgöttinnen. Ich habe nicht viel Bildung, Ariane könnte uns dazu bestimmt mehr sagen. Aber ich nehme an, dein Gefühl ist richtig. Er war ein Mann, der eine Rechnung mit Charnay offen hatte. Je nun, Charnay ist kein reiner Engel unter den Männern.«
    »Nein, Madame.«
    Madame nippte an ihrem Kakao und schaute über die matt leuchtende Petroleumlampe hinaus in die nächtliche Schwärze vor dem Küchenfenster.
    »Ich habe Charnay im vergangenen Jahr kennengelernt, Nona. Ich hatte im Sommer noch ein Engagement bei Stollwerck, er war in Geschäften hier und vergnügte sich mit zwei Bekannten am Abend in dem Café. Sie sprachen uns nach der Vorstellung an, meine Kollegin und mich, und wir ließen uns zu Wein und Essen einladen. Er sprach ausgezeichnet Deutsch, die beiden anderen Herren nur wenig. Sie erzählten uns viel von Lyon und Paris und den Varietés, den Cafés dansantes, den Boulevards und Bistros, und irgendwie war er es, der mir an jenem Abend den Floh ins Ohr setzte, ein eigenes Theater aufzumachen.«
    »Floh in Ohr?«
    Madame lachte leise. »Entschuldigung, die Idee gab er mir ein. Kurzum, ich fand ihn recht charmant und willigte ein, mit ihm am Wochenende das Sommertheater in Mülheim zu besuchen. Er legte meine Zusage allerdings ein wenig zu weit aus und wurde aufdringlich.«
    »Hat er Sie... hat er …?«
    »Nein, Nona. Auch ich weiß mich zu wehren. Er kam sozusagen davon ab, mich zu Intimitäten nötigen zu wollen. Aber er
hatte mir das Kleid zerrissen, und so lernte ich Madame Ariane kennen. Denn sie hat mir geholfen, es zu flicken.«
    »Ich muss Ihnen noch etwas gestehen, Madame. Das, was Madame Ariane schon weiß.«
    »Wenn du es möchtest, Nona.«
    Dieses zweite Mal fiel es ihr viel leichter, von Vergewaltigung, Fehlgeburt und verbrühtem Bein zu sprechen, und in Madames Augen las sie nichts als stilles Mitgefühl. Sie sagte nichts dazu, sondern streichelte ihr nur über die Haare.
    »Trink aus, Seidenwürmchen. Es ist Zeit, schlafen zu gehen.«
    Und der Schlaf hüllte sie in seine weichen Daunen und wehrte für diesmal alle bösen Träume ab.

Geisterseher
    Nun tanzten wohl bei Mondenglanz, Rundum herum im Kreise, Die Geister einen Kettentanz, Und heulten diese Weise: Geduld! Geduld! Wenn’s Herz auch bricht!
     
    Gottfried August Bürger, Lenore
    Die Nähmaschine ratterte fröhlich, und unter meiner Hand bewegte sich eilig der Stoff voran. Welch eine Erfindung! Was früher Stunden brauchte, wurde mit ihr in Minuten fertig.Vor allem die langen Säume der weiten Röcke, die zahllosen Bahnen, die man aneinanderheften musste, konnte ich alleine damit nähen, ohne eine weitere Hilfskraft einzustellen. Aber dennoch brauchte ich Nona regelmäßig jeden

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