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Goldbrokat

Titel: Goldbrokat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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halb aus dem Dekolleté hängen, sie ziehen schwarze Spitzenstrümpfe an und tupfen sich Moschus und Ambra in den Busen. Sie versprechen, doch sie halten nicht. Die Herren werden angelockt, doch wenn sie näher treten wollen, wehren der starre Fischbeinpanzer und der stählerne Rockkäfig alle Versuche ab. Wenn sie ans weiche
Fleisch wollen, müssen sie zahlen. Mit dem Ehevertrag. Jetzt erzähl mir nicht, dass du derartige Kunststückchen nicht auch schon angewandt hast.«
    Die Röte war mir bei den letzten Worten ins Gesicht geschossen. Wie entsetzlich, so den Spiegel vorgehalten zu bekommen.
    »Ich... ich versprech dir, LouLou, bei Gernot werde ich das nie so machen«, stammelte ich verzweifelt.
    »Dann bist du dümmer, als ich dachte, Ariane. Mein Bruder ist äußerlich ein hölzerner Geselle, den du nur mit deutlichen Mitteln zu Entscheidungen bewegen kannst. Aber er ist auch ein Mann. Wenn du ihn also heiraten willst, lock ihn und setz den Preis hoch.«
    »Aber ich will ihn doch gar nicht heiraten!«, entfuhr es mir.
    »Nicht? Wär aber keine schlechte Lösung. Bei Bernd Marquardt solltest du allerdings vorsichtig sein. Der weiß, wie der Hase läuft. Und er bekommt immer zum besten Preis, was er will.«
    Mit dieser Bemerkung weckte sie nun wirklich meine Empörung.
    »Ich suche weder einen Ehemann noch einen Geliebten!«, fauchte ich – möglicherweise nicht ganz wahrheitsgemäß. Aber was wusste sie schon von meinen heimlichen Sehnsüchten in stillen Abendstunden.
    »Aber warum denn nicht?« LouLous Ton troff von bitterem Spott. »Stören dich die Geister der Vergangenheit etwa doch?«
    »LouLou, du machst mich fertig!«
    Sie stand auf und griff nach ihrem Umhang.
    »Ich lass dich alleine. Du hast genug Gesellschaft an deinen Erinnerungen.«
    Weg war sie, und ich hätte ihr am liebsten die Teekanne hinterher geworfen. Was fiel ihr eigentlich ein? Was wollte sie mit dieser Provokation erreichen? Erst stellte sie mich auf die gleiche Stufe wie die bezahlten Liebesdienerinnen, dann gab sie mir den Rat, ihren Bruder zu verführen oder mit Marquardt
eine Affäre zu beginnen, und dann spielte sie auf meine Erinnerungen an. Auf welche, verdammt noch mal? Sie wusste doch gar nichts von mir.
    Oder wusste sie mehr, als ich ahnte?
    Wusste sie, auf welche Weise ich zu meinem Gatten selig gekommen war?
    Diesen fragwürdigen Geist meiner Vergangenheit?
    Wer war der Mann, der ihr geholfen hatte?
    Warum hatte sie mir das erzählt?
    Ich rechnete nach. LouLou war jetzt vierunddreißig. Mit zweiundzwanzig war sie ihm begegnet. Im Jahr 1846 also. Zwei Jahre, bevor ich geheiratet hatte. Zu der Zeit hatte der Lumpenhund in Köln seine Referendarszeit absolviert.
    Und wann hatte sie das dritte Mal ihr schwarzes Seidenkleid getragen? Zu welchem Anlass?
    Hölle und Frikassee.

Förderliche Schritte
    Der Mond geht unter, eine Krähe krächzt durch den Frost.
Unter dem Schatten der Ahornbäume wandert des Fischers Laterne.
Es tönen vom Tempel des Kalten Berges hinter Suzhou
Um Mitternacht die Glocken zu meinem Boot herüber.
     
    Zhang ji, An der Ahornbrücke vor Anker
    Er hatte sich in einen europäischen Geschäftsmann zurückverwandelt, trug mit Gleichmut den hohen, steifen Kragen, die festen Lacklederschuhe und einen Kammgarn-Anzug. Er bewohnte wieder sein Haus in Schanghai und ging täglich in das Kontor der Handelsgesellschaft, um die fälligen An- und Verkäufe zu tätigen. Eine Schiffsladung Rohseide war bereits auf dem Weg nach Europa, eine weitere wurde eben in die Lager geliefert. George Liu hatte gute Arbeit geleistet, und er band ihn nun mehr und mehr in seine Aktivitäten ein. Darum rief er ihn auch zu sich, damit er ihn in die Lagerhäuser am Suzhou Creek begleitete, wo er die neuen Seidenballen in Augenschein nehmen wollte.
    Etliche chinesische Arbeiter entluden Wagen, verstauten Säcke, Fässer und Kisten, und es dauerte eine geraume Zeit, bis der Lageraufseher ihnen nach zahlreichen Verbeugungen die Seidenlieferung zeigen konnte.
    Probeweise öffnete er eine der festen Leinenhüllen und griff hinein.
    »George, was hast du mit Lian ausgemacht?«
    »Seide erster Güte, tai pan .Wie gewünscht.«
    »Und was ist das hier?«
    Der junge Mann fasste ebenfalls in den Ballen.

    »Keine gute Seide?«
    »Billigste Flockseide. Die anderen Ballen, Aufseher!«
    Die Prüfung war schnell getan, und er nickte.
    »Kündige Lian meinen Besuch an, George. Ich habe ein Gespräch mit ihm zu führen. Heute noch. Ich akzeptiere keine

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