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Goldener Bambus

Goldener Bambus

Titel: Goldener Bambus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anchee Min
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schüchtern. Wie sehr ich mir doch wünschte, Du wärst hier bei mir.
    2 . September 1916
    Liebe Pearl,
    seit meinem letzten Brief sind schon sechs Monate vergangen. Alles entwickelt sich rasend schnell. Ich bin der Nationalpartei Chinas beigetreten. Die meisten unserer Mitglieder sind Anhänger von Dr. Sun Yat-sen. Obwohl ich immer an Gott glauben werde, bin ich jetzt auch anderen Ideen gegenüber aufgeschlossen. Ich gehe gleich zu einem Treffen und schreibe weiter, wenn ich zurückkomme.
    27 . Oktober 1916
     
    Dieser Brief braucht viel zu lange. Mein Leben ist wunderbar chaotisch, die Tage und Nächte unterscheiden sich kaum mehr. China durchlebt eine politische Transformation.
    13 . Dezember 1916
    Pearl, ich muss meinen Kummer, der auch Chinas Kummer ist, mit Dir teilen: Dr. Sun Yat-sen hat Krebs. Er wird nicht mehr lange leben. Sein Nachfolger wird Chian Kai-shek, von dem wir nicht wissen, ob wir ihm trauen können. In der Vergangenheit war er ein Opportunist, doch leider gibt es keinen anderen Kandidaten mit seiner militärischen Erfahrung und seinen Beziehungen. Er war Chinas Militärführer und behauptet, ein Gefolgsmann von Dr. Sun zu sein. Tatsache ist, dass er als Einziger die Kriegsherren kontrollieren kann und sich der Sache Dr. Suns verschrieben hat.
    28 . Januar 1917
    Liebe Pearl,
    ich muss Dir von Caries Zustand berichten, denn ich bin sicher, dass sie die Wahrheit vor Dir verheimlicht. Ich habe sie letzten Monat besucht. Es war schön, wieder einmal in Chinkiang zu sein und die vertrauten Gesichter wiederzusehen. Doch ich war bestürzt, als ich Deine Mutter aufsuchte. Sie kann nicht mehr aus dem Bett aufstehen. Ihre Krankheit hat sich rapide verschlechtert, nachdem ich nach Shanghai gegangen war und sie wieder zu unterrichten begann. Sie will nicht, dass Du nach China zurückkommst, um sich um sie zu kümmern. Sie macht sich unablässig Sorgen um Dich. Hast Du wirklich vor zurückzukommen?
    Bevor ich nach Shanghai zurückgefahren bin, habe ich sie zum Deng Familienfriedhof begleitet, wo sie sich eine Grabstelle gekauft hat. Ich habe keine Ahnung, warum sie dort begraben werden will. Wir haben nicht über ihre Gründe gesprochen. Doch sie scheint so tief von Absalom enttäuscht zu sein, dass es ihr nichts ausmacht, nicht neben ihm begraben zu werden. Es ist ein schöner und ruhiger Ort, obwohl ein wenig entlegen. Es hat mir das Herz gebrochen, dass sie das heimlich macht. Begehe ich Verrat an Carie, wenn ich Dir das schreibe? Carie leidet unter der Vorstellung, bei Deiner Rückkehr vielleicht nicht mehr da zu sein.
    15 . April 1917
    Meine liebe Pearl,
    was für eine wunderbare Neuigkeit, DU BIST VERLOBT und auf dem Weg hierher! Gott sei gepriesen! Diese bedeutsame Nachricht hat mich sehr überrascht, umso mehr, weil ich so lange nichts mehr von Dir gehört hatte. Natürlich wünsche ich Dir alles Gute. In Deinem Brief an Carie steht, Du hättest Dich »zur Verlobung entschlossen«, um »leichter reisen« zu können. Verstehe ich da etwas falsch? Sind »Reiseerleichterungen« der Grund Deiner Heirat? Verzeih mir, wenn ich übermäßig vorsichtig klinge, aber meine eigene Ehe hat mich fast umgebracht. Doch vermutlich hat der Zustand Deiner Mutter Dir lediglich einen zusätzlichen Grund gegeben, die freudigen Pläne für Deine Hochzeit schneller umzusetzen.
    Ich bin Carie dankbar, dass sie mir Deine Briefe und Fotos zeigt. Ich habe sofort verstanden, was Dich mit Mr Lossing Buck verbindet. Ganz offensichtlich auch die Liebe für China, die ihr teilt. Was für ein Glück, jemanden zu finden, der sich schon immer für China und Amerika interessiert hat. Und natürlich hat Lossing Dich auch beeindruckt. Einen Abschluss an der Cornell University, die Professur an der Universität in Nanjing und sein Engagement für die Bauern in China. Seine landwirtschaftliche Erfahrung wird man hier sehr zu schätzen wissen. Und er sieht auch noch gut aus. Ihr seid ein wunderschönes Paar! Was für eine herrliche Idee, Euch hier in Chinkiang trauen zu lassen.
    Ich möchte, dass Du über Caries Gefühle Bescheid weißt. Obwohl sie sich wünscht, dass Du bei ihr bist, möchte sie nicht, dass Du in ihre Fußstapfen trittst. Sie hätte es lieber, dass Du in Amerika lebst. Ich teile diese Gefühle natürlich nicht, finde aber, dass Du sie kennen solltest.
    Heute ist noch ein Brief von Dir gekommen. Du schreibst, Du und Lossing habt Euch bei der presbyterianischen Missionsgesellschaft für Auslandsmissionen beworben

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