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Goldener Bambus

Goldener Bambus

Titel: Goldener Bambus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anchee Min
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vergewaltigte er mich. Meiner Schwiegermutter gegenüber musste ich fügsam sein. In ihren Augen war ich schuld, dass die Familie den Bach runterging.
    »Das ist Sklaverei!«, rief Pearl wütend aus.
    Pearl erzählte, dass sie in Shanghai Mädchen betreut hatte, die in gewalttätige Ehen oder zur Prostitution gezwungen worden waren. »Du musst deinen gebrochenen Arm nicht mehr im Ärmel verstecken, Weide«, sagte sie.
     
    Mein Mann nahm sich eine neue Konkubine, was mich überraschte, weil er kein Geld hatte. Als ich ihn deswegen fragte, blieb er die Antwort schuldig. Die Tradition gab einem Mann das Recht, eine Frau nach Gutdünken loszuwerden. Aus Protest ging ich jeden Morgen zum Dorfbrunnen, den alle benutzten. Ich stellte mich daneben auf und schrie die schlimmen Dinge heraus, die seine Familie mir angetan hatte. Aber niemand hatte Mitleid. Die Dorfälteren kritisierten mich und sagten, ich solle doch Selbstmord begehen.
    Mich zu wehren hatte mir nichts weiter als einen schlechten Ruf eingebracht. Papa hielt mich für egoistisch, NaiNai für dumm. Doch ganz allein fühlte ich mich nicht, denn Pearl war auf meiner Seite. Ich ging zu Carie und bot an, ihr mit der Schule und beim Aufbau des neuen Krankenhauses zu helfen. Carie unterrichtete mich und andere junge Frauen nicht nur in Englisch, sondern bildete uns auch als Krankenschwestern aus.
    Pearl und ich verbrachten weiterhin Zeit miteinander, aber unsere Freundschaft war nicht mehr dieselbe. Je mehr sie sich aufs College in Amerika freute, desto weniger hatten wir einander zu sagen. Doch sie war einfühlsam und wusste, wie ich über meine eigene Zukunft dachte.
    Ich glaubte nicht, dass sie nach dem College wieder nach China kommen würde, und auch Pearl schien sich nicht mehr so sicher. Zumal es Caries lang gehegter Wunsch war, nach Amerika zurückzugehen.
    Absalom interessierte sich weder für Pearls Abreise noch für die Tatsache, dass sie vielleicht nie wiederkam. Er hatte nur noch seine bevorstehende Predigtreise tief ins Landesinnere im Kopf.
    Papa war ein anderer Mensch, wenn er mit Absalom zusammen war. Er respektierte und verehrte ihn.
    »Ihr könnt schon an Absaloms Gesicht sehen, dass er kein gewöhnlicher Mensch ist«, sagte Papa am Sonntag den Kirchgängern. »Es strahlt vor Freude, wenn er die Hand hebt, um euch zu segnen. Man fühlt, dass Gott mit ihm ist.«
    Pearl gab erneut zu, eifersüchtig auf die chinesischen Konvertiten zu sein, die Absaloms ganze Zuneigung bekamen. Das war einer der Gründe, warum sie weggehen wollte. Sie sagte, sie sei sogar über den Esel unglücklich, den Papa für Absalom gekauft hatte. »Das Tier ermöglicht es meinem Vater, noch längere und weitere Reisen zu unternehmen.«
    »Aber dein Vater ist glücklich«, erwiderte Papa.
    Dem stimmte Pearl zwar zu, meinte aber: »Manchmal glaube ich, er ist nicht mein Vater. Andere dürfen ihm während der Predigt Fragen stellen, aber ich nie.«
     
    »Überlegst du auch zu heiraten?«, fragte ich Pearl. »Und wann?«
    Sie lachte. »Mal sehen, was in Amerika passiert.«
    Doch China fehlte ihr jetzt schon. »Auch wenn ich immer sage, dass Amerika meine wirkliche Heimat ist, stimmt das wohl nicht.«
    Pearl wusste, dass derlei Gedanken Carie beunruhigen würden, und behielt sie für sich. »Ich hatte nie die Absicht, mich gegen meine Vorfahren oder die westliche Kultur zu stellen«, erklärte sie mir. »Aber ich kenne nichts anderes als China.«
    Obwohl Carie schon länger krank war, hatte sich ihre Gemütslage verbessert. Sie war glücklich, wieder einen Garten zu besitzen und Rosen züchten zu können. Außerdem würde sie mehr Zeit haben, ihre westlichen Lieblingsromane zu lesen, wenn Pearl nicht mehr da war. Dass ihr vor der Abreise ihrer Tochter graute, sollte Pearl nicht wissen.
    Doch Pearl ließ sich von Caries Heiterkeit nicht täuschen. Sie wusste, dass ihre Mutter heimlich weinte, und machte sich Sorgen, dass Carie sie brauchte, wenn sie in Amerika war.
    Ich versicherte Pearl, mich um ihre Mutter zu kümmern und sie über ihren Gesundheitszustand auf dem Laufenden zu halten.

10 . Kapitel
    23 . Oktober 1913
     
    Liebe Pearl,
    ich freue mich, dass es Dir gutgeht und Du gesund bist. Deine Mutter ist schwach, doch wie immer zeigt sie sich guten Mutes. Sie hat endlich meinen Rat befolgt und mit dem Unterrichten aufgehört. Ich habe ihre Klassen übernommen. Kannst Du Dir das vorstellen? Und ich habe Deine Bücher von Charles Dickens angefangen zu lesen.
    Ich bin nicht

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