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Goldener Reiter: Roman (German Edition)

Goldener Reiter: Roman (German Edition)

Titel: Goldener Reiter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Weins
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sitzt in der Sitzecke neben einer Frau, die Zigaretten herstellt. Die Frau hat einen Bubihaarschnitt. Sie hat eine kleine silberne Maschine auf den Knien. Sie tut ein Stück Papier und etwas Tabak hinein. Sie klappt den Deckel zu und oben kommt eine Zigarette heraus. Die Frau nimmt die Zigarette und legt sie in einen durchsichtigen Plastikbeutel. Der Plastikbeutel ist schon halb voll mit Zigaretten.
    Hallo, sage ich. Meine Mutter steht auf. Sie kommt mir entgegen. Wollen wir in den Park gehen?, frage ich.
    Ich gebe ihr die Tasche mit frischer Wäsche. Meine Mutter bringt die Wäsche in ihr Zimmer. Ich warte an der Eingangstür. In der Sitzecke sitzt ein Mann mit braunen Haaren. Er spielt ein Telespiel. Er hat eine orange Unterhose an. Ich stelle mich so hin, dass ich zugucken kann. Ein kleiner Mann läuft hin und her und fängt in seinem Hut Geld auf. Das Geld fällt vom Himmel. Die Münzen fallen gerade und die Geldscheine trudeln. Es ist schwieriger, die Geldscheine zu fangen. Der Mann mit der Unterhose dreht sich um zu mir. Er lächelt. Goil, ne?, sagt er. Seine Zähne sind braun. Sie passen gut zu seinen Haaren.
    Wir möchten bitte in den Park, sagt meine Mutter zu einer Krankenschwester, die ich noch nicht kenne. Sie hat sich eine Strickjacke angezogen. Ihre Arme hängen herab und ihre Finger zucken.
    Schön, sagt die Krankenschwester. Sie haben Besuch von Ihrem Sohn. Das ist ja schön.
    Ja, sagt meine Mutter. Können Sie uns bitte die Tür aufschließen.
    Ich fahre neben meiner Mutter im Fahrstuhl. Ich sehe mir die Lampen an. Die Lampen sind an der Decke angebracht. Es sind Neonröhren hinter Plastik. Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie die Mundwinkel meiner Mutter zucken. Selbst wenn ich könnte, würde ich nicht mit ihr fliehen. Wir treten aus dem Fahrstuhl und gehen um das Haus herum. Das Haus ist aus Beton. Haus 32 steht am Eingang auf dem Schild. Psychiatrische Aufnahme . Der Park fängt direkt hinterm Haus an. Es riecht nach Essen, als wir am Haus vorbeigehen. Eine große Tür steht offen und ein kleiner Laster parkt davor. Eine Elster keckert. Ich gehe neben meiner Mutter mit den hängenden Schultern. Wir machen einen Ochsenzoll-Spaziergang. Wir gehen an einer Bank vorbei. Auf der Lehne steht in großen, weißen Buchstaben das Wort Penis .
     
    56
    Ihr dürft euch jeder einen aussuchen, sagt Frau Bloom. Mark und ich stehen vor der Scheibe. Ich kann sein Gesicht erkennen, es spiegelt sich darin. Ich kann die Fische dahinter vorbeischwimmen sehen. Das Wasser ist blau und die Fische sind orange und weiß und dunkel und das Licht schillert im Wasser. Es hat etwas mit der Einstellung meiner Augen zu tun. Scharf und unscharf, weit und nah. Die kommen aber nicht in dein Aquarium, sagt Frau Bloom, sondern wir kaufen für sie ein eigenes, ein hübsches rundes Goldfischglas. Das stellen wir ins Wohnzimmer. Das gehört dann euch beiden. Und ich suche mir auch einen Fisch aus, dann gehört das Glas auch ein wenig mir.
    Hmm, macht Mark. Er guckt sich die Fische an.
    Dass wir uns gleich richtig verstehen, sagt Frau Bloom, das Glas macht ihr sauber. Nicht dass das an mir hängen bleibt.
    Hm, macht Mark. Ich drehe mich zu Frau Bloom um. Frau Bloom zwinkert mir zu.
    Die Fische können gar nicht in Marks Aquarium, sage ich. Die Fische in Marks Aquarium sind tropische Fische. Das heißt, sie brauchen warmes Wasser, das hat Mark mir erklärt. Diese Fische sind Kaltwasserfische.
    Ich gucke mir die Schleierschwänze von dicht an. Schleierschwänze mit Schleierschwänzen, die durchs Wasser schleiern. Rote, rotweiße und dunkle, fast schwarze. Kleine Goldfische mit großen Schwänzen. Es gibt welche mit einem Hubbel auf dem Kopf, die heißen Löwenkopf, und welche mit dicken Glupschaugen wie Heino ohne Brille und welche ohne alles. Frau Bloom schenkt uns Schleierschwänze. Ich hatte noch nie ein eigenes Haustier.
    Wisst ihr schon, welchen ihr haben wollt?, fragt sie.
    Ich nehm den schwarzen da, sagt Mark. Er zeigt auf einen kleinen Fisch mit Glupschaugen, der in einer Ecke des Aquariums hockt.
    Hässlich, sage ich. Der sieht aus wie Heino ohne Brille.
    Quatsch, sagt Mark. Er sieht interessant aus. Er sieht aus wie ein Hammerhai. Weißt du, was ein Hammerhai ist?
    Klar, sage ich. Aber ich finde nicht, dass er so aussieht.
    Welchen nimmst du denn?, fragt Mark.
    Weiß ich nicht, sage ich. Den Roten da.
    Mir gefällt ein Roter. Er sieht normal aus, einfach wie ein Schleierschwanz. Ohne Extras, ohne Augen oder Hubbel. Er passt zu

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