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Goldener Reiter: Roman (German Edition)

Goldener Reiter: Roman (German Edition)

Titel: Goldener Reiter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Weins
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Geräuschen erkennen. Ein Radio läuft. Ich kenne das Lied. Ich könnte mitsingen, wenn ich wollte. He, he, he, ich bin der Goldene Reiter , singt ein Mann mit einer verstellten Stimme.
    Ein Mann mit einer Brille macht die Tür auf. Er hat normale Kleidung an und große Augen. Es sind außergewöhnlich große Augen. Augen wie bei einer Witzbrille. Ich weiß nicht, ob es durch die Brille kommt. Auf meiner Fahrt in die Klinik , singt der Mann im Radio, sah ich noch einmal die Lichter der Stadt . Der Mann hat keine weiße Kleidung an. Hallo, sagt er, ich bin Hans.
    Guten Tag, sage ich. Mein Name ist Jonas Fink. Ich möchte gerne Frau Fink besuchen.
    Oho, sagt der Mann. Die findest du im Garten. Einfach da geradewegs durch die Tür. Du wirst sie finden, da bin ich sicher.
    Er lächelt mich aus großen Augen an. Wie bei einer Brille von Dieter Hallervorden. Ich würde gerne den Kopf schütteln, aber ich weiß nicht, ob man das macht. Ich weiß nicht, ob er ein Irrer ist oder nicht.
    Der Garten ist groß und eingezäunt. Die Tür zum Garten quietscht, als ich sie öffne. Es gibt keine Obstbäume in diesem Garten. In diesem Garten gibt es einfach nur Rasen und Holzstühle. Zwei Birken und einen Holzschuppen am Zaun. Zwei Irre spielen Tischtennis miteinander.
    Meine Mutter sitzt in einem Holzstuhl unter einer Birke. Ein Mann sitzt neben ihr. Die beiden rauchen Zigaretten. Sie gucken vor sich hin. Der Mann hat lange Haare, die hinten zusammengebunden sind.
    Hallo, sage ich. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag. Ich habe das Papier von den Tulpen abgemacht. Ich halte ihr die Tulpen und das Geschenk hin.
    Oh, sagt meine Mutter. Hallo.
    Sie muss die Augen zusammenkneifen, wenn sie mich angucken will. Das kommt, weil ich vor der Sonne stehe. Sie legt die Hand über die Augen.
    Tulpen, sagt sie, das ist aber lieb.
    Der Mann saugt an seiner Zigarette. Er hat rote Augen und gelbe Finger. Wenn meine Mutter lange in der Irrenanstalt bleibt, werden ihre Finger ebenfalls gelb. Sie packt das Geschenk aus. Es ist ein Buch. Ich habe ein Buch gekauft, in dem steht, wie man italienisches Essen zubereitet. Das Buch ist dazu da, damit sie schnell wieder gesund werden und nach Hause kommen will. Sie blättert in dem Buch.
    Ein italienisches Kochbuch, sagt sie, wie schön.
    Wollen wir spazieren gehen?, frage ich.
    Ja, sagt meine Mutter. Danke. Sie schaut ihre Blumen an.
    Ja, sagt der Mann, obwohl ich ihn nicht gefragt habe. Ich will nicht am Geburtstag meiner Mutter mit einem Mann mit einem Pferdeschwanz durch Ochsenzoll spazieren. Wir können ins Café gehen, sagt der Mann.
    Ja, sagt meine Mutter.
    Sie drücken ihre Zigaretten im Rasen aus.
     
    62
    Du hast die Fische nicht gefüttert, sagt Mark.
    Klar habe ich die Fische gefüttert, sage ich.
    Hast du nicht, sagt Mark. Er guckt mich aus zusammengekniffenen Augen an. Das sieht doof aus, wie Mark mich anguckt. Wie kann man bloß jemanden so angucken.
    Und außerdem bist du seit Ewigkeiten mit Glassaubermachen dran.
    Gar nicht wahr, sage ich, du bist dran. Obwohl ich keine Ahnung habe, wer dran ist. Mark ist dran.
    Ich habe das Glas das letzte Mal sauber gemacht, sagt Mark. Und das ist schon ziemlich lange her. Guck dir das Glas mal an, wie das aussieht. Man kann gar nichts mehr erkennen. Es ist voller Algen.
    Wie kommt überhaupt das ganze Zeug in das Glas, sage ich. Das haben wir nicht hineingetan. Das möchte ich mal wissen. Oder kannst du mir sagen, wie die in das Glas gekommen sind, die Algen?
    Die waren an den Steinen, sagt Mark.
    Die haben wir abgekocht, sage ich.
    Auf jeden Fall bist du dran mit Saubermachen, sagt Mark.
    Bin ich nicht, sage ich.
    Die Fische müssen in ihren Fäkalien herumschwimmen, sagt Mark.
    Na und?, sage ich. Da kann ich doch nichts für.
    Du solltest nicht vergessen, dass du ein Gast bist, sagt Mark. Das ist mein Zimmer hier und mein Haus. Du bist bloß ein Gast.
    Ich sehe Mark durch sein Zimmer hindurch an. Hinter Mark hängt das Rudi-Kargus-Poster an der Wand. Ich stelle mir vor, wie ich Mark gegen das Poster drücke. Dann greift Rudi Kargus nach seinem Kopf statt nach dem Ball.
     
    63
    Ich bin zwei Ohren. Ich sitze auf meinem Bett. Ich sitze in meinem Zimmer auf meinem Bett und mein Fenster steht auf kipp. Draußen im Garten singt eine Amsel. Der Amsel höre ich zu. Das geht, ich kann die Autobahn wegschalten. Meine Autobahn. Das geht nicht auf Knopfdruck, sondern allmählich. Ich höre der Amsel zu, wie sie singt, und langsam verschwindet die Autobahn. Jetzt

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