Goldener Reiter: Roman (German Edition)
ist. Ich kann nicht ruhig auf dem Bett liegen, wenn ich nicht weiß, was für ein Klacken es ist. Es klackt aus dem Keller. Es ist dunkel im Haus. Es summt und es klackt aus dem Keller. Ich schließe die Kellertür auf und mache Licht. Es klackt. Ich gehe in den Keller, die Treppe hinunter. Ich schaue meinen Füßen beim Treppehinuntergehen zu.
Das Summen kommt aus dem Wärmepumpenkeller. Ich stehe vor der Tür. Die Tür ist mit schwarzem Schaumgummi isoliert. Sie steht einen Spalt offen. Das Klacken kommt aus diesem Keller. Ich mache Licht an. Mein altes Fahrrad steht im Keller und der Schlitten und der Dachgepäckträger für das Auto. Das Klacken kommt vom Kellerfenster. Das Kellerfenster steht offen, dahinter ist es schwarz. Das Klacken steckt in diesem Schwarz. Ich muss wissen, was das für ein Klacken ist. Ich klettere auf die alte Kommode, die unter dem Kellerfenster steht. Staub liegt auf der Kommode. Klack macht es aus dem Schwarz hinter dem Fenster. Schwarz, das meine Augen nicht greifen können. Klack macht es. Ich tauche mein Gesicht in das Schwarz. Das Klacken hat aufgehört. Ich höre nichts. Es fühlt sich warm an. Ich schlüpfe hinein. Ich bin im Schwarz und stoße mich ab. Wie von einem Ufer. Es ist das Kellerfenster, aber es ist auch ein Ufer. Ich schwimme. Ich weiß nicht, wohin. Ich kann nichts sehen als Schwärze. Ich wende mich um und kann den Lichtschein aus dem Keller erkennen. Ich schwimme und der Lichtschein wird schwächer. Es ist leicht, so zu schwimmen. Ich treibe weit hinein. Es ist kein Licht mehr zu sehen.
Ich spüre nichts, ich höre nichts. In allen Richtungen: Schwarz. Es treibt mich hinaus. Es hält und trägt mich. Ich schwebe. Ich öffne den Mund und schlucke. Ich öffne die Augen und blicke.
65
Wo sind die Fische?, frage ich. Mark liest ein Buch auf seinem Bett. Ich kann nicht erkennen, was für ein Buch es ist.
Weg, sagt er.
Wie, weg?, frage ich.
Weg, sagt Mark. Weggekippt.
Wie, weggekippt?
Meine Mutter hat sie in die Toilette gekippt.
Das waren auch meine Fische, sage ich.
Moment, sagt Mark. Einer hat dir gehört. Er liest in seinem Buch. Er blättert die Seite um.
Was soll das?, frage ich.
Die Fische waren tot, sagt Mark. Du hast dich nicht um sie gekümmert. Du hast das Glas nie sauber gemacht. Das kommt davon. Sie sind erstickt. Meine Mutter hat sie ins Klo gekippt, ganz einfach. Mark klappt sein Buch zu und guckt mich an.
Wie, frage ich, ins Klo? Könnt ihr nicht fragen?
Wieso, sagt Mark. Du hast durch dein Verhalten jedes Anrecht auf Mitsprache verwirkt.
Blödmann, sage ich.
Selber, sagt Mark. Du bist schuld!
Du hättest dich um die Fische kümmern müssen, sage ich. Oder deine Mutter. Man kann sie nicht einfach sterben lassen und dann ins Klo kippen.
Ich habe mich um die Fische gekümmert, sagt Mark. Du warst dran. Da brauchen wir gar nicht drüber zu reden. Du bist schuld.
Nein, sage ich.
Ich stelle mir vor, wie die Fische durch das Rohr vom Klo geschwommen sind. Vielleicht haben sie noch gelebt. Die Fische sind durch die Rohre geschwommen und im Fluss angekommen und später im Meer.
Wann kommt deine Mutter eigentlich aus dem Krankenhaus?, fragt Mark.
Weiß ich nicht, sage ich. Ich setze mich vor Marks Aquarium. Ich suche den Putzerfisch. Er saugt an der Rückseite herum. Wenn sie gesund ist, sage ich.
Wie lange dauert denn so etwas?, fragt Mark. Der Putzerfisch schiebt sich an der Scheibe nach oben.
Woher soll denn ich so etwas wissen?, sage ich. Was denkt sich Mark, dass ich ein Arzt bin oder was? Keine Ahnung, sage ich.
Was ist denn das genau für eine Krankheit? Mark hat sein Buch weggelegt und sich aufgesetzt.
Weiß ich nicht, sage ich. Ich schaue meine Socken an.
66
Wenn es Tag wäre, könnte ich mir das Bild ansehen, das bei Blooms im Flur hängt. Auf dem Bild ist der Vater von Mark, ein Mann mit einer langen Nase, wie Mark sie hat. Ein Mann in einem Anzug. Mit einer grauen Krawatte mit weißen Punkten darauf. In Wirklichkeit war die Krawatte rot, sagt Mark. Und man konnte sie über den Kopf ziehen, weil sie ein Gummi hatte und einen fertigen Knoten. Es ist zu wenig Licht im Flur.
Die Tür von Frau Bloom ist geschlossen. Hinter der Tür sind Geräusche. Die Geräusche haben mich wach gemacht. Ein Mann ist im Zimmer von Frau Bloom. Ich habe ihn mir von oben von der Treppe angeguckt, als er gekommen ist. Mark wollte ihn sich nicht angucken. Mark lag auf seinem Bett im Pyjama und hat gelesen. Er hat getan, als würde er
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