Goldener Sonntag
als Gefangenen in meiner Obhut lassen?«
»Ich …« Arthur schwieg. Er wusste nicht, was er sagen sollte.
»Und wenn Ihr es tätet, würde Dame Primus zu Eurer Entscheidung stehen?«, fügte Lord Sonntag hinzu.
»Sie würde tun, was ihr gesagt wird«, meinte Arthur schwach. Seine Worte klangen nicht überzeugend, nicht einmal in seinen eigenen Ohren.
»Wie Ihr seht«, sagte Lord Sonntag, »ist dies keine mögliche Lösung unserer Probleme. Euer einziger Ausweg ist, selbst abzudanken. Gebt mir die Schlüssel, die Ihr bereits innehabt, Arthur; ich werde mich um das Vermächtnis und das Nichts kümmern und das Haus wiederherstellen. Ihr werdet wieder nach Hause können und ein sterbliches Leben führen ohne die Sorgen und den Kummer, die im Moment so schwer auf Euch lasten.«
»Was ist mit Erhabener Samstag und dem Pfeifer?« Arthur merkte, wie sein Widerstand erlahmte, wie die Versuchung wuchs. Alles, was Lord Sonntag sagte, klang völlig vernünftig. »Sie werden mich niemals in Ruhe lassen!«
»Ich muss zugeben, dass ich Samstags Ehrgeiz und Stärke unterschätzt habe«, sagte Lord Sonntag. »Trotzdem ist sie nichts weiter als eine Nervensäge, und auch ohne Eure Schlüssel werde ich sie bald besiegen. Der Pfeifer stellt da schon eine ernstere Bedrohung dar, aber ebenfalls keine, deren Beseitigung jenseits meiner Macht läge.«
»Wenn ich also meine Schlüssel aufgäbe –«
»Und den Atlas.«
»Und den Atlas«, sprach Arthur weiter, »dann lassen Sie mich mit meiner Mutter … und Blatt … wieder auf die Erde gehen, und Sie veranlassen das Nichts zur Umkehr … und Sie versprechen, sich nicht an meiner Welt zu vergreifen. Aber was ist mit meinen Freunden hier? Was geschieht mit den Bürgern, die mir gefolgt sind?«
»Nichts«, sagte Lord Sonntag, aber so, wie er es sagte, klang es eher nach Zersetzung durch Nichts als nach nichts Schlimmes. Arthur wollte ihn gerade auffordern, sich etwas präziser auszudrücken, als er einen Blick auf einen gelben Elefantenrüssel erhaschte, der ihm vom Rand der Terrasse aus zuwinkte, hinter einem großen, perfekt gestutzten Strauch mit langen rosa-violetten Blüten, die ihrerseits von einer Wolke goldflügliger Schmetterlinge umschwärmt wurden.
»Ich … ich muss noch ein wenig darüber nachdenken«, sagte Arthur. Vor Erleichterung darüber, Elefant zu sehen, gerieten ihm die Worte fast zu einem Stottern; er hoffte, dass Lord Sonntag dies seiner seelischen Anspannung zuschreiben würde.
»Euch bleibt nur noch wenig Zeit.« Lord Sonntag deutete auf die Tür im Zifferblatt. »Wenn die Uhr zwölf schlägt, werden Euch die Augen genommen. Sollten sie zu schnell wieder nachwachsen, könnte ich mich entschließen, die Puppen mit einer früheren Aufgabe zu betrauen, nämlich sich Eurer Leber zu bemächtigen. Ihr solltet Euch auch darüber im Klaren sein, dass mit jeder Stunde das Nichts weiter in alle anderen Teile des Hauses eindringt. Ihr erwähntet ›Freunde‹ unter den Bürgern, die Euch folgen: Während Ihr Zeit mit Nachdenken vergeudet, werden viele womöglich ihr Ende gefunden haben. Denkt auch darüber nach, Arthur, nicht nur über Euer eigenes Schicksal!«
Diesmal kletterte Lord Sonntag nicht die Strickleiter zu der schwebenden Libelle hoch, sondern erklomm den Hügel und verschwand über dem Rand der nächsten Terrasse. Arthurs Blick folgte ihm, bis er nicht mehr zu sehen war, und schaute dann wieder hoch zur Libelle. Er konnte weder Sonntags Abenddämmerung noch Mittag sehen, aber es waren Bürger an Bord des Insekts, die über den Rand lugten und ihn überwachten.
Elefant musste sie auch gesehen haben, denn er hielt sich weiter hinter dem Strauch mit den rosa-violetten Blüten versteckt. Arthur wusste nicht, ob er das Medaillon gefunden hatte, denn außer dem Rüssel hatte er nichts von Elefant gesehen.
Eine Stunde später kam Lord Sonntag wieder den Hügel herunter; bei der Uhr blieb er stehen und sah Arthur an, der den Kopf schüttelte. Selbst diese Bewegung fiel ihm schwer, und ihn überkam der heftige Wunsch, sich mit dem Treuhänder zu einigen, gefolgt von einer plötzlich aufkeimenden Furcht.
Er setzt die Macht des Siebten Schlüssels gegen mich ein!, schoss es ihm durch den Kopf. Er bringt mich dazu, mit ihm einer Meinung sein zu wollen, zu glauben, was er mir erzählt. Aber es könnte ja tatsächlich stimmen … Vielleicht sollte ich gar nicht versuchen, das Vermächtnis zu befreien. Vielleicht war das alles ein Fehler. Vielleicht sollte ich die
Weitere Kostenlose Bücher