GOLDENES FEUER DER WUESTE
standen.
Genau gesagt standen überhaupt keine Männer Schlange bei ihr, doch wen interessierte das. Zu Zayed aber hatte sie sich von Anfang an hingezogen gefühlt, unwiderstehlich sogar. Und jetzt wollte er sie sogar heiraten!
Nicht, dass sie die Absicht hatte, seinen Vorschlag ernsthaft zu prüfen. Wo sie doch ganz genau wusste, dass sie für ihn nur ein Mittel zum Zweck war, mehr nicht.
Nein, es war die einzige Möglichkeit. Sie musste mit Jesslyn reden, und zwar möglichst sofort.
Sophie traf Jesslyn nicht am Swimmingpool an, sondern im Kinderzimmer, wo Sharifs Töchter aus erster Ehe Monopoly spielten, während der kleine Tahir immer wieder versuchte, die Spielsteine umzuwerfen. Die beiden Mädchen protestierten anfangs lautstark, doch dann machten sie gute Miene zum bösen Spiel und kicherten. Die Königin war nur körperlich anwesend, in Gedanken war sie sichtlich ganz woanders.
Noch auf der Schwelle wünschte sich Sophie, nicht gekommen zu sein. Diese Familie versuchte verzweifelt, zumindest ein kleines Stück Alltagsnormalität aufrechtzuerhalten. Für diese Menschen war in den letzten zwei Wochen eine Welt zusammengebrochen. Sophie verabscheute sich plötzlich dafür, dass sie hier eindrang.
„Mama“, sagte der zweijährige Tahir, der Sophie als Erster entdeckte. „Mama, da.“
Jesslyn fuhr zusammen, dann schaute sie in die Richtung, in die ihr Sohn deutete. „O Sophie, wie schön! Treten Sie doch ein. Ich habe Sie gar nicht kommen hören.“ Sie lächelte Sophie an, während der kleine Tahir auf ihren Schoß kletterte.
Sophie sah, dass die Hand der Königin zitterte, als sie ihrem Sohn über die weichen schwarzen Locken fuhr.
„Hallo, Mädchen!“, rief die Königin mit gespielter Munterkeit. „Ich möchte euch jemand ganz Besonderes vorstellen. Das ist Dr. Sophie Tornell, die Frau, die euer Onkel morgen heiraten wird. Ist das nicht aufregend?“
Die Mädchen standen auf und verneigten sich respektvoll. Ihre dunklen Augen glitzerten vor Neugier.
Jesslyn stellte sie mit Namen vor, bevor Jinan, die Älteste, wissen wollte, ob es eine traditionelle oder eine westliche Hochzeit werden würde.
Sophie war wie gelähmt. Obwohl sie extra gekommen war, um dieses Missverständnis aus der Welt zu schaffen, brachte sie jetzt kein Wort heraus.
Na los, sag endlich was, befahl sie sich. Irgendetwas. Erklär die Situation. Sag einfach, dass es ein Missverständnis war. Dass du nie die Absicht hattest, ihren Onkel zu heiraten.
Aber sie konnte ihre Stimme nicht finden, nicht hier, in diesem von Traurigkeit erfüllten Zimmer.
Endlich brach die neunjährige Takia das Schweigen. „Wollen Sie nicht warten, bis unser Daddy zurückkommt?“
Für einen Moment war es im Zimmer so still, dass man eine Stecknadel hätte zu Boden fallen hören können. Gleich darauf begannen Tränen zu fließen. Die Königin weinte stumm, und Saba und Jinan schluchzten leise in sich hinein, während sich der kleine Tahir an seine Mutter klammerte und laut anfing zu heulen.
Nur Takia schaute Sophie immer noch aus großen Augen an, die Lippen fest aufeinandergepresst.
Obwohl Sophie Sentimentalitäten hasste, brach ihr der Anblick fast das Herz. Kinder sollten nicht so unglücklich sein. Und sie sollten auch nicht so abrupt erwachsen werden müssen. Dass die drei Mädchen bereits vor Jahren ihre leibliche Mutter verloren hatten, machte die Sache nur noch tragischer.
„Ich wünschte, wir könnten es“, sagte Sophie heiser. „Ohne euren Vater wird es bestimmt keine schöne Hochzeit.“
„Ich will aber lieber warten“, flüsterte Takia.
„Das möchten wir alle“, mischte sich jetzt Jesslyn ein. „Aber das Land muss regiert werden, und dazu braucht es einen König. Wir müssen eurem Onkel Zayed dankbar sein. Was er tut, ist ganz im Sinne eures Vaters.“
„Auch dass er Tante Sophie heiratet?“, vergewisserte sich Saba.
Jesslyn lächelte mit Tränen in den Augen. „Ja. Der König muss verheiratet sein.“
Sophie spürte, dass sie jeden Moment die Fassung zu verlieren drohte. Sie konnte unmöglich bleiben. Deshalb warf sie jetzt allen ein verzweifeltes Lächeln zu, stammelte eine Entschuldigung und verließ überstürzt das Zimmer.
Kaum hatte sie die Tür hinter sich ins Schloss gezogen, konnte sie ihre Trauer nicht länger zurückhalten. Seine trauernde Familie machte Sharifs Tod erst real. Sharif lebte nicht mehr. Er war tot und würde nie zurückkehren.
Sharif, der Mann, den Sophie ein Jahrzehnt lang und länger
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