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Goldfalke (German Edition)

Goldfalke (German Edition)

Titel: Goldfalke (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noreen Aidan
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alles besprechen.“
    „ Sehr gern, aber erst nachdem ich mich etwas ausgeruht habe, sonst wäre ich dir eine öde Gesellschaft.“ Unvermittelt wurde Fatimas Stimme leiser: „Wie geht es Soraya?“
    Die Schultern des alten Herrn sackten nach unten. „Unverändert. Es gibt gute und schlechte Tage.“ Seinem Gesichtsausdruck nach wohl vor allem schlechte.
    Über eine geschwungene T reppe folgten alle der alten Frau und dem Großwesir nach oben. Kiana ebenfalls. Was hätte sie auch sonst tun sollen? Der Weg führte weiter durch einen Gang mit Blütengemälden an den Wänden bis zu einer hohen Tür. Auf Sayeds Geheiß traten zwei Männer vor. Von ihren blauen Hosen und Hemden stachen ihre gelben Westen und gelben Turbane grell ab. Die Krummdolche in ihren Gürteln und ihre strengen Mienen wiesen sie als so etwas wie die Palastwache aus. Energisch hielten sie die anströmenden Leute zurück und ließen nur Fatima und Kiana durch die Tür, die sich anschließend gleich wieder schloss.
    L icht durchflutete den Raum, in den sie getreten waren, und belebte seinen sanften Farbtöne. Es war ohne Zweifel das Gemach einer Dame mit zierlichen Kommoden, einer Sitzgruppe aus Goldbrokat und einem geräumigen Bett unter einem Baldachin aus zartrosa Seide. Am Fußende dieser Schlafstatt saß der weiße Geier. Er musste durch eines der offenen Fenster geflogen sein und blickte mit schräg gelegtem Kopf auf die schlafende Frau, die in dem Bett lag.
    Die Schlafende war die schönste Frau, die Kiana jemals gesehen hatte. Ihr langes schwarzes Haar lag wie ein Fächer um sie, und ihre Gesichtszüge besaßen die Zerbrechlichkeit eines Schmetterlings, ebenso wie der schlanke Körper, der sich unter der Bettdecke abzeichnete. Sie musste ungefähr in Tante Shabnams Alter sein. Oder jünger. Älter auf keinen Fall. Oder doch? Die Frau hatte eine zeitlose Art von Schönheit. Zögernd öffnete sie die Augen.
    Fatima trat an das Bett. „ Friede sei mit dir, Herrscherin! Ich bringe dir einen Gast.“
    Die schöne Frau wirkte so ermattet, als hätte selbst der Schlaf sie erschöpft. „Ich freue mich, dich zu sehen, meine weitgereiste Lehrerin. Aber weißt du denn nicht, dass in diesen unsicheren Zeiten Gäste hier nicht gestattet sind?“ Sie holte tief Luft, als müsste sie zum Sprechen Kraft sammeln. „Wir können für keinen zusätzlichen Menschen Schutz garantieren. Nicht einmal für uns selbst.“
    Die Greisin setzte sich auf den Bettrand und nahm die zarte Hand der Herrscherin. „Nichts liegt mir ferner, als dir noch mehr Verantwortung aufzubürden. Das hier ist kein üblicher Gast. Es ist Elinas Tochter, die ich dir bringe.“
    „ Kiana, die Schicksalswenderin“, krächzte der Geier. „Die, deren magische Kräfte so groß sind, dass ihr Zorn in Windeseile den Bunten Basar zu verwüsten vermochte. Die, von der Fatima weissagte, sie sei die Hoffnung auf den Sieg über das Schicksal. Die, deren Flugkünste so erbärmlich sind, dass sie gegen einen Apfelbaum …“
    „Danke, Miro!“, unterbrach Fatima. „Das genügt als kurze Vorstellung.“
    Die Herrscherin betrachtete Kiana. „Du bist die kleine Ki? So hat deine Mutter dich immer genannt.“
    Wie immer, wenn jemand die Schande ihrer Geburt erwähnte, brachte Kiana vor Scham kein Wort heraus. Beklommen schaute sie zu Boden.
    „Du bist groß geworden.“ Die Stimme der Herrscherin wurde so le ise, dass man sie kaum verstehen konnte. „Das letzte Mal, als du bei mir warst, lagst du in meinen Armen und hast geschrien wie am Spieß. Tritt näher, Ki!“
    Dass Kiana und ihre Mutter dieser noblen Dame früher so nahe gestanden haben sollten, war so haarsträubend unglaubwürdig, dass es selbst den sprechenden Geier oder die musizierende Spinne im Bunten Basar au sstach.
    Dennoch gehorchte Kiana, und die schöne Dame fuhr mit noch schwächerer Stimme fort: „Vielleicht kannst du ja wirklich das Schicksal wenden. Die Rettung sein. Ich heiße dich von Herzen willkommen. Hole dir Hilfe bei Sahmaran und finde …“, mit einer müden Handbewegung winkte sie Kiana noch näher heran, und bevor ihr wieder die Augen zufielen, hauchte sie: „Und finde deine Mutter, sonst sind wir alle verloren!“
    Fatima stand auf. „Komm, die Herrscherin braucht Ruhe!“ Sie zog Kiana zur Tür. „Und ich, weiß Gott, auch.“
    Die Tür öffnete sich auf ein nachlässiges Schlenkern von Fatimas Hand hin. Der Geier flog an ihnen vorbei auf den Gang hinaus, wo er den Wartenden verkündete: „Ki muss ihre

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