Goldfalke (German Edition)
Nase.“
„Wie das denn?“
Die alte Frau stellte ihr Teeglas zurück auf das Tablett und faltete die Hände. „Schon ihre ganze Kindheit über hat sich Soraya darauf vorbereitet, einmal Herrscherin zu werden. Ihr Dschinn formte sich gemäß dieses Wunsches. Er war ein schimmernder Kristall, der getrocknete Brunnen zum Sprudeln bringen konnte. Als Damon im letzten Krieg zwar eine Niederlage einstecken musste, vorher aber noch den Palast zerstören konnte, verloren die Menschen hier mit einem Schlag ihre Heimat. Soraya konnte und wollte das nicht zulassen. Also nahm sie all ihren Zorn, ihren Schmerz und ihr Pflichtgefühl zusammen und verwandelte in einem urgewaltigen geistigen Kraftakt ihren Dschinn in …“, Fatima öffnete ihre Hände und vollführte damit eine ausschweifende Bewegung, „… das hier.“
Nesrin schaute um sich. „Wie, das hier ? Was hier? Ein Kristall, der Wasser zum Sprudeln bringt? Die Wasserleitung, oder was?“
Auch Kiana, die bei dem Wort Kristall automatisch an den Dschinn ihrer Mutter gedacht hatte, ließ ihren Blick umherwandern auf der Suche nach etwas, das einst ein Edelstein hätte sein können.
„Bedenk t, ihr Kinder, dass die Größe oder Kleinheit eines Dings oft die Sicht auf sein Wesentliches versperrt! Etwas Großes ist genauso schwer oder leicht zu erzaubern wie etwas Kleines, zumal der Vorgang derselbe ist. Nur in unserer Vorstellung ist es anders.“
Und dann dämmerte es Kiana. Die unberechenbaren Veränderungen, die der Palast - der Schimmernde Palast - oft an seinen Wänden, an der Kuppel, an allem durchlief. Die Tatsache, dass er auf Worte reagierte, dass er sich ihr über das Bodenmosaik in der Eingangshalle mitteilte. „Die Herrscherin hat … nein, das ist unmöglich, oder doch nicht?“ Kiana blinzelte. „Du meinst, der Schimmernde Palast ist der Dschinn der Herrscherin?“
„Vom Haupttrakt bis zur Auße nmauer.“
Nesrin riss die Augen auf. „Hammer!“
Fatima nahm sich eine Olive vom T ablett. „Nur die besten Zauberer vermögen so etwas zu bewerkstelligen. Die Festigkeit des Dschinns aufrecht zu erhalten und die Quellen fließen zu lassen, kostet sehr viel Kraft. Deshalb braucht Soraya so dringend Elinas Heilkräfte, um ihre Energien wiederherzustellen.“ Die Seherin schob die Olive in ihren Mund, kaute umständlich, zog den Kern zwischen ihren noch immer kräftigen Zähnen hervor, legte ihn auf die Untertasse ihres Teeglases und schluckte die Olive herunter. „Und desgleichen braucht Damon die Energie von lebenden Wesen für die Speisung seines ebenso gewaltigen Dschinns.“
Kiana merkte, wie sich die Härchen auf ihren Unterarmen aufstellten. „Du meinst, die Eherne Festung ist Damons Dschinn?“
„Voll krass , hey!“
„ Nach allem, was ihr berichtet habt, Töchterchen, erscheint mir das die einzig tragbare Schlussfolgerung zu sein. Einst war Damons Dschinn ein Löwe. Und als Soraya den Schimmernden Palast aus ihrem Dschinn formte, wollte Damon ihr wohl in nichts nachstehen. Immerhin ist auch er ein berühmter Zauberer, dessen Macht der seiner einstigen Gemahlin durchaus gleichkommt. Zudem ist, wie wir von euren Schilderungen wissen, Damons Festung beweglich, was zusätzliche Kraft kostet. Eine Rechnung, welche beglichen wird durch die vielen Leben, die dieser unsägliche Dschinn aussaugt.“ Fatima öffnete die Hände und stützte sich beidseitig auf der Fensterbank ab. „Eigentlich wollte ich dir, Kiana, nur den Mut zusprechen, den du brauchst, um auf deine Fähigkeiten zu vertrauen.“ Ächzend stemmte sie sich hoch und richtete sich auf. „Ich muss mich jetzt ausruhen, bevor der Krieg den Palast erreicht. Schließlich bin ich eine alte Frau. Für Kriege fehlt mir zunehmend die Geduld.“
„Und während du dich ausruhst“, meinte Nesrin, „lösen Ki und ich das Problem mit den Stehenden Weisen, bevor die den ganzen Laden hier aufmischen.“
„Das, Töchterchen, hat Kiana bereits allein bewerkste lligt.“
„ Echt?“ Mit offenem Mund sah Nesrin den gebrechlichen Schritten der Greisin hinterher, die den Raum durch die Hintertür verließ. „Wie hast du denn das angestellt, Ki?“
„Ich habe nur …“, Kiana nippte von ihrem Tee, „… ich weiß auch nicht genau, was ich getan habe.“
„Du bist echt der Wahnsinn, Ki! Ich muss gestehen, so, wie du dich manchmal angestellt hast, hatte ich schon ab und zu mal den einen oder anderen Zweifel, na ja, du weißt schon, wegen dieser Geweissagten-Geschichte.“ Sie griff sich
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