Goldfalke (German Edition)
für ihre Fa lkenflügel sein würde, dass sein Gewicht sie beide in die Tiefe reißen würde, dass … Plötzlich erschien etwas unter ihnen, und fast sanft fiel Amir hinter Nesrin auf den rosa Blümchenteppich, der sodann beschleunigte und mit Höchstgeschwindigkeit davonraste.
Um wieder in die Höhe zu kommen, in die sichere Höhe oberhalb von allen Kampfhandlu ngen, flatterte Kiana angestrengt. Mit jedem Atemzug strömte Luft bis tief in sie hinein. Bis in ihre Knochen, wie es schein. Das Atmen ging jetzt anders als vorher mit ihrer menschlichen Lunge. Besser.
Sie stieg höher. Höher, auch wenn ihre Muskeln langsam erlahmten. Noch höher. Sie spürte ein Prickeln in ihrem Nackengefieder, und die Rundumsicht ihrer Vogelaugen zeigten ihr, dass sie verfolgt wurde.
Und dass der Verfolger aufholte.
Sie stürzte sich in eine scharfe Kurve, flog schneller, weiter, hängte den Verfolger ab. Auf einmal aber tauchte direkt vor ihr etwas auf.
Kiana stellte sich aufrecht, flatterte hektisch gegen die Flugrichtung, um nicht auf das Hindernis zu prallen, das ihr entgegenkam. Es war eine hühnergroße Stechmücke, die mit ihrem Stachel auf den Falken einstach. Blitzschnell wich Kiana aus, überlegte fieberhaft, was sie gegen diesen Insektendschinn tun konnte, da flog ein engelhaftes, zartes Wesen mit sechs Flügeln herbei, öffnete seinen überraschend weit klaffenden Mund, verschlang die Riesenmücke in einem Zug und sperrte sein gar nicht engelhaftes nadelspitzes Gebiss erneut auf, um auch den Falken zu fressen. Zu nah, um auszuweichen.
Viel zu nah.
Reflexartig kniff Kiana die Lider zu, legte die Flügel an, streckte den Hals, streckte den ganzen Körper, bereitete sich auf den Aufprall vor, spürte stattdessen das Reißen des Hindernisses, das besiegte Nachgeben, als sie sich wie ein Pfeil durch das hilflose Fleisch des engelhaften Dschinns bohrte. Das Gefühl erstickender Enge wich der Freiheit des Nachthimmels, nachdem der Falke den Engelskörper durchstoßen hatte und auf der anderen Seite herausschnellte. Der Engel fiel wie ein Stein zu Boden. Das Gefühl, gejagt zu werden, blieb.
Ein Blick nach hinten, und Kiana sah einen großen schwarzen Schatten in der Luft. Ihr ursprünglicher Verfolger hatte wieder aufgeholt. Ihre Armmuskeln hielten die ungewohnte Belastung kaum noch aus. Trotzdem zwang Kiana ihren Vogelkörper zu einer scharfen Linkskurve.
Der schwarze Schatten folgte. Kam näher. Feuerte.
Kiana ließ sich zur Seite fallen und fühlte die sengende Hitze des Feuerstoßes, hörte dessen Fauchen, als er an ihr vorbei durch die Nacht schoss. Sie schlug einen Haken, konnte so den nächsten Feuerstößen ausweichen und flog eine Kehrtwende, um sich ihrem Angreifer zu stellen, bevor ihre Kräfte gänzlich versiegten.
Jetzt erkannte sie, dass die Feuerattacken aus verschiedenen Fenstern der Ehernen Festung kamen. Gelenkt wurden sie aber einzig von Kianas Verfolger, einem schwarzen Schatten auf einem schwarzen Teppich. Seine linke Hand bog, bündelte, steuerte den Feuerstrahl so punktgenau, dass Kiana immer nur mit knapper Not ausweichen konnte. Sein Gesicht lag im Dunkeln, und dennoch wusste sie, wer es war.
So viel Luft sie auch in ihren Falkenkörper pumpte, so panisch ihre Flügel auch gegen die Schwerkraft anflatterten, Kianas schwindende Kräfte schafften es nicht mehr, sie in der Luft zu halten. Haltlos trudelte sie abwärts. Wenigstens kam sie so vom Schrecklichen Sultan weg.
Vorerst.
Das Gefühl, innerlich zu zerreißen, legte alles in ihr lahm, als ihr Falke aus ihr herausgeschleudert wurde. Weit abseits des Schlachtfeldes sackte sie zu Boden, rutschte eine Sanddüne herunter, hob benommen den Kopf und spürte Wüstensand unter ihren Händen. So plötzlich wieder ihrem Menschengewicht ausgesetzt konnten ihre Lungen nur mit Mühe gegen die Schwere ankeuchen, die Kiana auf den Boden drückte.
N eben ihr kauerte der Falke. Mit halb geöffnetem Schnabel und leicht abgespreizten Flügeln hechelte er wie Kiana gegen den Zusammenbruch an. Der Schein der fernen Brandherde kam nur schwach zu ihnen herüber, doch er brachte das Gefieder des Falken zum Glänzen. Als wäre es aus reinem Gold. Kiana hatte keine Kraft, sich darüber zu wundern, sondern legte alles, was sie noch an Energie besaß, in den Versuch aufzustehen. Der Sand sackte unter ihr weg, sie fiel auf den Rücken, versuchte, tief zu atmen, wollte …
„Und du glaubtest, du könntest es mit mir aufnehmen.“
Diese Worte, so beiläufig von
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