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Goldfalke (German Edition)

Goldfalke (German Edition)

Titel: Goldfalke (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noreen Aidan
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offenbar gegen Ghule half, was auch immer das war, betrachtete Kiana es nun mit neuen Augen. Nesrin klappte den roten Stein des Amuletts hoch, rollte geschickt Sahmarans Haar um ihren Finger, streifte es ab, fummelte es in das Amulett hinein und ließ den Deckel zuschnappen. Dann hängte sie die Kette Kiana um den Hals. „Steht dir gut, Ki.“
    „Nun berichte, mein Kind!“, würgte Fatima Kianas Dankesbezeugungen an die Herrscherin ab.
    Da raufhin schilderte Kiana so genau wie möglich ihren Besuch bei der Schlangenkönigin. Alle Anwesenden lauschten gespannt, stellten nur hin und wieder aufmerksame Zwischenfragen. So viel Beachtung von so hochrangigen Würdenträgern verunsicherte Kiana zutiefst. Solange sie jedoch ihren Blick einfach von den Leuten weg auf die Goldornamente auf der gegenüberliegenden Wand richtete, gelang es ihr, die Erinnerungen dieses Tages geordnet vorzutragen. Bis ohne Vorwarnung eine junge Frau durch ebendiese Wand in den Raum kam.
    Durch die Wand.
    Sie durchschritt den Raum an der Fensterseite. Ihre Kleidung bestand aus silbrig glänzendem Stoff, vom bodenlangen Rock bis zum Oberteil. Auch ihr Schleier war mit Silberfäden durchzogen. Er ließ das Gesicht unbedeckt und ihr Haar durchscheinen, so zart war das Gewebe.
    Bei genauer Betrachtung allerdings war die ganze Frau durchscheinend. Kiana konnte durch die Gestalt hindurch verschwommen die Fenster und Vorhänge dahinter sehen.
    „Und was hat Sahmaran weiter gesagt?“, versuchte eine Männerstimme, Kianas ins Stocken geratenen Bericht wieder anzuwerfen. Doch sie konnte die Augen nicht von der Geisterfrau wenden, die sich suchend im Raum umsah und durch die gegenüberliegende Wand verschwand.
    „Das ist die Silberfrau“, deutete Ava Kianas Schweigen ric htig. „Keiner weiß, woher sie kommt. Sie war einfach schon immer da, seit ich denken kann. Sie redet nicht, reagiert auf nichts, scheint niemanden wahrzunehmen, sucht nur. Doch was sie sucht, entzieht sich unserer Kenntnis.“
    Ein beleibter Mann warf ein: „ Was hat Sahmaran gemeint mit: Eins gegeben, zwei entdeckt, indes nur die acht finden alle neun Teile einer Persönlichkeit?“
    Kiana starrte noch immer auf die Stelle an der Wand, durch die das silberne Gespenst verschwunden war, dann riss sie sich zusammen und antwortete: „Das hat Sahmaran nicht näher erklärt.“
    Soraya versuchte, sich aufzurichten, überlegte es sich dann aber a nders. „Sahmarans Worte enthalten so viel Weisheit, dass sie oft schwer zu verstehen sind. Sie zu entschlüsseln ist jedoch immer der Mühe wert.“
    „ Wir fragen am besten morgen die Stehenden Weisen“, meinte Nesrin.
    „Das ist ein guter Vorschlag.“ Soraya sackte zurück auf das Polster. Ihre Lider fielen zu. Nur das leichte Heben und Senken ihres Brustkorbes deutete an, dass sie noch lebte. Niemand geriet in Panik oder wirkte auch nur überrascht. Was zeigte, dass so ein Ohnmachtsanfall der Herrscherin wohl nichts Ungewöhnliches darstellte.
    Ava winkte ihre beiden Dschinns herbei und schaute mit bemühter Zuversicht in die Runde. „Nun entschuldigt die Herrscherin, meine Freunde! Sie muss sich ausruhen.“
    Einer der hellblauen Dschinns hob die bewusstlose Herrscherin hoch, der andere öffnete die Nebentür, und gemeinsam brachten sie Soraya fort in das angrenzende Schlafgemach, begleitet von Avas betrübtem Blick. Nur einer der Dschinns kehrte wieder zurück und ließ die Tür angelehnt.
    Fatima seufzte. „Wie lange wird sie noch durchha lten?“
    „Ich weiß es nicht“, gab Ava zur An twort.
    „Was geschieht mit der Herrscherin, wenn wir Ki’s Mutter nicht finden?“, fragte Nesrin in ihrer dreisten Art. Niemand erwiderte etwas, doch die besorgten Mienen aller waren Antwort genug.
    Wie um die Ratlosigkeit zu ve rtreiben, die sich im Raum mit einem Mal eingenistet hatte, wechselte Nesrin das Thema: „Du musst noch von dem Anschlag am Tor erzählen, Ki!“
    „ Anschlag?“, krächzte Miro und verschluckte sich dabei hustend an dem Fleischbrocken, den er gerade verschlingen wollte.
    Kiana beteuerte sofort: „Das war nur ein Unfall. Und noch nicht mal das.“
    Da raufhin schilderte Nesrin den Vorfall aus ihrer Sicht. Avas Dschinn reichte währenddessen Tee an die beiden Mädchen. Er war süß, mit einem Hauch Kardamom versehen und diesmal mit Milch geweißt.
    „Und wer sollte diesen Anschlag verübt haben, wenn außer euch und den Wachen niemand dort weilte?“, fragte Fatima schließlich.
    Nesrin zuckte die Schultern.

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