Goldfalke (German Edition)
„Farid vielleicht. Er war schließlich auch irgendwo da. Er hat kurz vorher seine Raketen-Nummer abgezogen und ist an uns vorbeigedüst. Im Beisein der Herrscherin wollte ich nichts sagen, aber er ist mein Hauptverdächtiger.“
Inzwischen war , wie Kiana in ihrem rechten Augenwinkel wahrnahm, ebenjener Farid in den Raum getreten. Da Nesrin genau mit dem Rücken zur Tür saß und zudem gänzlich von ihrer Rede vereinnahmt wurde, bemerkte sie ihn nicht und plapperte munter weiter: „Denn erstens war Farid in der Nähe. Zweitens kann er Ki nicht ausstehen. Na ja, er ist auch sonst nicht unbedingt ein Quell der Freundlichkeit, aber Ki gegenüber ist er geradezu feindselig. Und drittens ist es durchaus möglich, dass er sich bei seinem Vater einschleimen will, indem er die Geweissagte ausschaltet, die ja eine Bedrohung für Damon sein könnte. Das wäre zwar selbst für Farids Verhältnisse krass, ja, aber möglich.“ Endlich reagierte Nesrin auf Kianas Ellbogenstöße - „Was ist denn?“ - und verzog das Gesicht. „Er steht hinter mir, stimmt’s?“
„Ja“, flüsterte Kiana.
Nesrin: „Er hat alles mitangehört, stimmt’s?“
„Ja.“
„Und er sieht angepisst aus, stimmt’s?“
„Ja!!“
Mit einem genervten Aufstöhnen sackten Nesrins Schultern nach unten. Eine wild gekringelte Haarlocke fiel auf Baskis Kopf. Mit seinen kleinen Krallen schlug das Kätzchen danach.
„Es ist immer wieder amüsant“, die Verachtung in Farids Stimme war nicht zu überhören, „deinen Kleinkindfantasien zu lauschen, Pistazienhirn. Zu dumm, dass ich dazu keine Zeit habe, weil ich nach meiner Mutter sehen muss.“
„Sie hat erneut das Be wusstsein verloren, mein Junge“, erklärte Ava traurig.
Sein Gesichtsausdruck ließ sich nicht deuten . Er verschwand durch die Nebentür in das Schlafzimmer der Königin.
„Du solltest dich mit Anschuldigungen zurückhalten, Nesrin“, schalt Ava und w arf einen kurzen Blick auf die Tür, die Farid hinter sich zugezogen hatte. Ihr Tonfall wurde leiser und zugleich drängender: „Außer, du hast stichhaltige Beweise. Dieser Vorfall am Außentor ist eine ernstzunehmende Angelegenheit. Bis diese restlos geklärt ist, bitte ich euch beide, meine Töchter, sehr vorsichtig zu sein und euch nirgendwohin außerhalb des Palastes zu bewegen, ohne mir Bescheid zu sagen.“ Sie atmete tief durch. „Wenn du nun alles losgeworden bist, was du auf dem Herzen hast, Nesrin, möchte ich Befehlshaber Kassim bitten, Kiana über das Wenige zu unterrichten, was über Damons Mörderbande bekannt ist, damit sie sich ein Bild der Bedrohung machen kann.“
Aufmunternd schaute sie auf einen breitschultrigen Mann mit kräftigen Wangenknochen und kurz gehaltenem Bart. Er trug die gelb-blaue Uniform der Palastwache, wenn auch mit einem blauen Edelstein in seinem gelben Turban, was ihn wohl als den Befehlshaber auszeichnete.
„ Aber ich bin noch nicht alles losgeworden!“, rief Nesrin frech.
Fatima stöhnte. „Wie konnten wir das bloß annehmen!“
Nesrin fuchtelte mit den Händen. „Ich habe eine Idee, wie wir uns Hilfe beschaffen könnten. Jemand, der Kiana beschützen kann und uns beistehen wird, wenn es mit Damon zur Sache geht: mein Ziehvater. Er hat mir eine Feder gegeben, die ich nur an eine Flamme halten muss, und schon spürt er den Ruf und kommt her. Er könnte Damon mächtig einheizen.“
Ava lächelte nachsichtig. „Dein von uns allen hochgeschätzter Ziehvater ist weise und friedfertig. Gewalt hat er immer entschieden abgelehnt.“
„ Aus dem letzten Krieg haben sich alle Simurgh herausgehalten“, ergänzte der Befehlshaber der Palastwache. „Warum sollte es diesmal anders sein?“
Zuversichtlich schaute Nesrin in die Runde. „Diesmal bin ich d abei.“
„Ihr redet alle so, als ob ein weiterer Krieg mit Damon unausweichlich wäre“, warf ein hagerer Mann ein. Er trug einen braunen Anzug und eine dunkelrote Fes-Kappe mit schwarzer Quaste.
„Ich fürchte, das ist er, Haschem.“ Zwei steile Falten erschienen zwischen den ausgeprägten Augenbrauen des Befehlshabers. „Die Überfälle von Damons Armee werden zahlreicher und dreister. Einst fanden sie in sicherer Entfernung zum Palast statt. Doch sie kommen immer näher an uns heran. Wenn die Herrscherin noch schwächer wird, wagt Damon einen direkten Angriff auf den Palast, da bin ich sicher.“
So sicher wirkte Haschem nicht: „Wir sollten uns mit ihm gu tstellen, statt zu versuchen, ihn zu bekämpfen. Wir sollten
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