Goldfalke (German Edition)
verhandeln.“
Der Befehlshaber verschränkte seine Arme vor der breiten Brust. „Ich weiß, dass du und deine Verwandten so denken. Besitzt nicht deine Schwester in der Siedlung am Fuß der Kristallberge ein paar Geschäfte? Seit Damon die Siedlung gegründet und seine Anhänger dazu gebracht hat, als Zeichen ihrer religiösen Ergebenheit einmal im Jahr in die Kristallberge zu pilgern, sind nicht nur Damon, sondern auch die anderen Geschäftsinhaber dort reich geworden. Denn Damons pilgernde Soldaten lassen einen Großteil ihrer Kriegsbeute da, die inzwischen wohl schon so gehaltvoll ist, dass Damons Horden die Stoffballen und Möbel der überfallenen Karawane heute verschmäht haben. Was sie früher nicht getan hätten.“
„Du willst mir unterstellen“, entrüstete sich Haschem, „dass ich nur an den Geldsack meiner Verwandten denke, wenn ich zur Mäßigung rate?“
Die Antwort des Befehlshabers kam nach einem beleidigenden Zögern: „Noch unterstelle ich gar nichts. Eines weiß ich aber bestimmt: Der Löwen-Sultan verhandelt nicht. Früher oder später, wohl eher früher, wir es zum Kampf kommen.“ Er nickte Nesrin zu. „Ein Simurgh wäre dabei zwar ein unschätzbarer Verbündeter, aber ich fürchte, er würde nicht ausreichen. Wenn sich allerdings alle Simurgh uns anschließen würden, könnte das die Kräfteverhältnisse entscheidend zu unseren Gunsten verschieben.“
„Dann fliege ich morgen los“, erklärte Nesrin, „und bequatsche Papi, dass er die andern Simurgh zusammentrommelt und überzeugt.“
Ava schüttelte den Kopf. „Der Hinflug allein würde für die besten unserer Flieger acht Tage dauern, und der Rückflug ebenfalls. So lange kannst du nicht fort, meine Tochter, denn wir brauchen dich hier an Kianas Seite, insbesondere …“ Sie unterbrach sich, als Farid aus dem Schlafgemach seiner Mutter trat, und wandte sich an ihn: „Wie geht es ihr?“
„Sie schläft.“ Er trat zum nächstgelegenen Fe nster, setzte sich auf dem marmornen Sims und ließ sich von Avas Dschinn Tee servieren.
„Auf jeden Fall“, griff die Haushofmeisterin ihren Gedanken wieder auf, „muss jemand anders zum Gebirge der Simurgh fliegen. Du, Miro! Ich weiß, die Simurgh schätzen das Volk der weißen Geier sehr.“
Der Ausschreier stieß einen würgenden Laut aus. „Ich? Bei meiner zarten Konstitution willst du mir das Ungemach eines Fluges in den kalten Norden zumuten? Schon bei dem Gedanken frieren mir die Federkiele ein!“
Ava bedachte Miro m it einem weisen Lächeln. „Wer außer dir, mein lieber Freund, könnte eine derart wichtige Aufgabe meistern, die nicht nur sportliche, sondern auch diplomatische Fertigkeiten erfordert? Immerhin bist du einer unserer besten Flieger und ein Meister der Beredsamkeit.“
Der Geier trat von einem Bein auf das andere. Während er sich zierte und die Haushofmeisterin ihn weiter umschmeichelte, ruhte Farids Blick auf Kiana. Unerhört offen. Beunruhigend gefährlich.
Plötzlich war sie sich der peinlichen Sandschicht auf ihrem Gesicht und ihren Haaren nur zu bewusst. Von der Tatsache, dass sie in schamloser Weise unverschleiert war, ganz zu schweigen. Der Pfeilteppich, der zusammengerollt neben ihr lag, zuckte, als würde er sich bereitmachen wollen, um sie sofort zum Ziel ihrer Aufmerksamkeit zu fliegen.
Dieser blöde Fußabtreter! Bevor er sich entrollen und Kiana blamieren konnte, ergriff sie ihn mit beiden Händen, als würde sie ihn würgen wollen. Was gar nicht so abwegig war. „Wirst du wohl stillhalten!“, raunte sie ihm aus zusammengepressten Zähnen zu, und es half sogar. Der Teppich gab Ruhe, doch die Hälfte der Anwesenden musterte sie irritiert. Sie stieß den angehaltenen Atem aus und zwang sich, den Prinzen nicht weiter zu beachten.
„ Wohlan, ich tue es!“, gab sich Miro geschlagen. „Wie immer bleibt alles an mir hängen. Gleich nach dem Frühstück will ich mich aufmachen auf die Reise.“
Zufrieden lächelte die Haushofmeisterin. „Vi elen Dank, lieber Bruder! Damit leistest du uns einen großen Dienst.“
„ Wenn es dir gelingt, die Simurgh zu mobilisieren, wäre das großartig“, betonte der Befehlshaber noch einmal. „Es scheint so, als ob Damons Armee von Angriff zu Angriff zunimmt. Wir können jede Unterstützung gebrauchen.“
Ein Mann mit einem langen braunen Bart ließ einen kurzen Lacher hören. „Jetzt wirst du aber gierig, Kassim! Einen Simurgh zu einer kriegerischen Handlung zu bewegen, ist genauso unmöglich, wie
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