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Goldfalke (German Edition)

Goldfalke (German Edition)

Titel: Goldfalke (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noreen Aidan
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Widerwillen zu Miro schwenkte. Obwohl Farid ungefähr im Alter ihres Cousins Mustafa war, klang die Stimme des Prinzen viel tiefer. „Die Gerüchte sind Schwachsinn.“
    „Das ist doch mal eine gute Nachricht“, fand Nesrin, „denn das, was ich über die Wildstreune gehört habe, ist echt krass: Dass sie tagsüber ein hübsches Mädchen ist und nachts zu einem Zombie wird, der kleine Kinder frisst.“
    „Desgleichen habe auch ich vernommen.“ Miros Kopf pendelte zwischen Nesrin und Farid hin und her. „Wenn jene Kunde nicht zutrifft, mein Prinz, wie ist die Wildstreune dann in Wirklichkeit?“
    Farid hob sein Teeglas, damit Avas Dschinn ihm nachschenkte. „Sie ist auch tagsüber nicht hübsch, mordet nicht nur nachts, sondern wann immer ihr danach ist, und frisst nicht nur kleine Kinder, sondern auch Erwachsene und im Notfall alles, was sich bewegt.“
    Nesrin schluckte. „Gut, dass wir das geklärt haben.“
    „Genug geredet!“, bestimmte Fatima. „Wir sollte n nun schlafen gehen, denn morgen müssen alle ausgeruht sein.“
    Obwohl Kiana zum Umfallen müde war, wusste sie nicht, wie sie nach allem, was sie s oeben erfahren hatte, so etwas wie Schlaf finden konnte.
     
    Als sich die beiden Mädchen auf den Weg zu ihrem Zimmer machten, war Kiana dankbar, dass Nesrin vorausging, denn in dem gedämpften Licht der spärlichen Wandlampen hatte sie irgendwann die Orientierung verloren.
    Nesrin aber offenbar auch, denn sie blieb vor einer Wand st ehen. „Hey, was soll das? Ich möchte bitte in mein Zimmer!“
    Und schon verschob sich … alles und gab einen Gang frei, dessen Wandgemälde Kiana erkannte. Es zeigte Felsen, auf denen Wildziegen mit geschraubten Hörnern herumkletterten. Im Vorbeigehen fuhr sie die Wand mit der Hand nach und ertastete nichts als harten Stein. Unbeweglichen Stein. „Nesrin, was war das denn eben mit dieser Wand und dem Gang?“
    Gähnend zog Nesrin die Tür zu ihrem Zimmer auf. „Das macht der Palast manchmal. Keine Ahnung wieso. Lass dich davon nicht beirren! Irgendwann gibt der Palast den Weg schon wieder frei. Man muss nur energisch darauf bestehen.“ Sie stemmte die Hände in die Hüften. „Heute gibt’s wohl kein Licht, oder was?“
    Sofort ging die Kerze in der bunten Glashalterung neben Nesrins Bett an.
    „Na also, geht doch!“
    Sogleich schaute sich Kiana nach ihrem Dschinn um, fand ihn aber nicht in dem hölzernen Kästchen, in dem sie ihn gelassen hatte. Mit wachsender Panik hasteten ihre Augen durch den Raum. „Er ist nicht mehr da! Wo ist mein Dschinn!?“
    „Das hab ich dir doch gesagt .“ Nesrin streifte ihre Schuhe ab. „Er ist im Tal der Dschinns und döst friedlich vor sich hin, bis du ihn brauchst.“
    Kiana versuchte, ruhig zu atmen, sich zu sa mmeln und sich den Dschinn herbei zu denken, so wie sie das bei Nesrin mit Baski gesehen hatte, aber ihre Gedanken waren so angefüllt mit den Erfahrungen des heutigen Tages, dass sie auseinander stoben wie erschreckte Hühner und keinen Dschinn hervorbrachten, nichts, gar nichts. Kiana raufte sich die Haare. „Ich kann das nicht wie du, Nesrin. Wir müssen zum Tal der Dschinns, ihn holen!“
    „Du schaffst mich echt!“ Nesrin wischte sich über die Stirn. „Ich bin so müde, dass ich im Stehen schlafen könnte, und gehe heute Nacht nirgendwo mehr hin.“ Sie packte Kiana bei den Schultern. „Halte die Hände auf und fühle dir deinen Dschinn hinein. Los, mach schon! Ich helfe dir.“
    Der verblüffend feste Griff von Nesrins Händen brachte Kiana so weit zur Ruhe, dass sie sich auf den Versuch einließ. Ihr Dschinn erschien kurz auf ihrer Handfläche, verschwand wieder - „Oh nein, Nesrin, nein, nein!!“ - erschien erneut, verschwand und saß schließlich in Kianas Händen. Sie war so unendlich erleichtert, dass sie Tränen wegblinzeln musste.
    Ihr Dschinn war schwerer als zuvor. Nun hatte er immerhin schon die respektable Größe einer fetten Ratte. Seine braunen Augen schauten sie an, neugierig, wie es schien, und thronten über einem kräftigen Schnabel. Ja, jetzt war das ein Schnabel! Die dicken, kurzen Zehen besaßen Vogelkrallen. Und der Körper - nun konnte man von einem Körper sprechen statt von einer unförmigen Masse - war bedeckt mit einem weißen Flaum. Ihr Dschinn war ein Küken, wie der Großwesir gesagt hatte. Ohne jeden Zweifel. Wobei der weiße Flaum und der kräftige Schnabel etwas an Miro erinnerten.
    War ihr Dschinn ein Geierküken? Ein mickriges zwar, aber immerhin.
    „ Okay.“

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