Goldfalke (German Edition)
hervorragender Dünger für meine Gemüse- und Obstanpflanzung.“
„Wofür sind eigentlich die Windräder?“, wollte Kiana noch wissen.
„D ie brauche ich für alles andere, das ich nicht selbst erledigen will. Seht ihr die Querstangen und Gewinde zwischen den Windrädern? Sie übertragen die Windkraft auf Pumpen und all meine Maschinen, egal ob Pflug, Bewässerungsanlage oder Waschmaschine.“
„ Echt genial!“ Nesrin stellte ihre leere Puddingschüssel neben sich ab. „So schön es bei dir ist, Zabibie, aber wir müssen leider aufbrechen. Wir wollen nämlich heute noch die Karawanserei erreichen. Ein bisschen shoppen gehen.“
„Was?“ Munirs jungenhafte Stirn ru nzelte sich.
„Sie meint einkaufen“, erklärte Zabibie. „Besucht u nbedingt den Laden des Seidenhändlers!“ Schwärmerisch verdrehte sie die Augen. „Der hat Stoffe, sage ich euch, da stockt euch der Atem! So fein gewebt, dass man gar nicht das Gefühl hat, etwas auf der Haut zu haben.“
„ Für Klamotten bin ich immer zu haben.“ Nesrin trank ihr Glas aus. „Bist du soweit, Ki?“
Daran gewöhnt, ihre Mahlzeiten schnell einzunehmen, um sich gleich an den Abwasch m achen zu können, war Kiana längst fertig und erhob sich. Nesrin zahlte mit einer Goldmünze und trat an den Teich, um die leeren Wasserflaschen aus dem Proviantkorb aufzufüllen. Kiana half ihr dabei. Zabibies Dschinn glitt zurück ins Wasser und tauchte ab.
„Du musst noch dein Schicksalssteinchen werfen“, meinte Nesrin, „und vorher deinen Wunsch draufschreiben.“
Kiana zog den Stein aus ihrer Hosentasche. „Ich kann nicht schre iben.“
„Du machst Witze!“
„Nein, leider nicht. Mein Onkel betrachtet Schulbildung bei Mädchen als Zeit- und Geldverschwendung.“
„Was für ein Arsch! Aber keine Sorge, Ki.“ Nesrin grinste so unbeschwert, wie es ihre tragische Lebensgeschichte eigentlich gar nicht zulassen konnte. „Schreiben und Lesen kann ich dir irgendwann mal beibringen, okay? Und jetzt gib mir den Stein! Was soll ich drauf schreiben?“ Nach ein bisschen Herumkramen in ihrer Tasche zog Nesrin einen Stift hervor.
„Ich will meine Mutter finden“, stellte Kiana klar.
Nesrin schrieb nichts, sondern nagte an ihrer Unterli ppe. „Denk noch mal nach! Wenn du sie nur findest, heißt das noch lange nicht, dass du sie auch in Sicherheit bringen kannst. Du musst beim Wünschen sehr genau sein. Kennst du Halime, die Bienenmutter? Du weißt schon, die Honig-Tussi vom Bunten Basar. Ava hat mir mal erzählt, wie sie zu ihren Bienen kam. Halime war unfruchtbar, und alle möglichen Medikamente und Zaubermittel und Typen änderten daran nichts. So wünschte sie sich im Gebet viele Kinder, und seien es nur Bienchen. Und bald darauf brachte sie einen Schwarm Bienen auf die Welt, die seitdem auf ihr draufhängen.“ Ihre Stirn runzelte sich. „Ein blödes Gebet, wenn du mich fragst. Statt Bescheidenheit zu heucheln, hätte sie mal besser um richtige Kinder gebeten!“
„Dann wünsche ich mir, meine Mutter zu re tten.“
„Das ist viel besser!“ Etwas mü hsam schrieb Nesrin einige Worte auf den unebenen Stein, dann drückte sie ihn in Kianas Hand. „Jetzt wirf das Ding!“
Kiana warf das Schicksalssteinchen in hohem B ogen in den Teich. Der Kopf von Zabibies Dschinn schaute kurz aus dem Wasser, verschwand jedoch gleich wieder. Ansonsten geschah nichts. „Muss da jetzt nicht irgendwas Magisches passieren?“, meinte Kiana skeptisch. „Zum Beispiel ein Wasserstrahl rausschießen? Oder ein Lichtblitz. Oder so?“
„Das wäre zwar cool, aber: nein.“
„Woher weiß ich dann, ob der Stein richtig … eingeschalten wurde? Ob er wirkt?“
Nesrin legte den Trageriemen ihrer Umhängetasche quer über ihre Brust. „Das weißt du dann, wenn du deine Mutter gerettet hast. Und jetzt auf die Teppiche! Wir müssen noch vor Einbruch der Dunkelheit in der Karawanserei sein, sonst lyncht mich Ava.“
Kurze Zeit nachdem sie die Oase verlassen hatten, fühlte sich Kianas Haut wieder so an, als hätte das Bad in Zabibies Zelt nie stattgefunden. Eine Stunde Flug durch die Wüste erschien wie eine Ewigkeit. Oder war es eine Ewigkeit, die so tat, als wäre bloß eine Stunde vergangen? Die Wüste verschluckte die Zeit und machte Sand daraus. Sand, der sich in alles hinein drängte. In den Mund. In die Achselhöhlen. In jeden Gedanken.
Nun, da die tief stehende Abendsonne den Horizont berührte, schien sie etwas milder gestimmt. Sie ließ ihre Glut langsam
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