Goldfalke (German Edition)
abklingen und überzog die Sandverwehungen mit warmen Rotbrauntönen.
Nesrin hielt im Schatten einer hohen Düne an. „Sorry, aber ich muss dringend pinkeln. E igentlich sollte man meinen, dass die Bullenhitze hier alle Flüssigkeit aus einem raussaugt, aber ich habe so viel von Zabibies Limonade getrunken, dass da sogar die Hitze chancenlos ist.“ Eilig landete sie ihren Teppich und begab sich zwischen die vielen hüfthohen Sandhügel, die hier den Wüstenboden aufbeulten.
Rücksichtsvoll wandte Kiana ihre Augen ab und nutzte die Gelegenheit, um ebenfalls zu landen, sich zu strecken und sich die Beine zu vertreten. Eigentlich verspürte auch sie einen gewissen Druck auf der Blase. Von Zabibies Limonade hatte sie mindestens genauso viel getrunken wie Nesrin, fiel ihr auf. Oder noch mehr. Kiana schaute sich um. Natürlich war niemand hier außer ihr, Nesrin und Baski, doch erst als sie ihren Teppich als Sichtschutz senkrecht vor sich in die Luft gestellt hatte, zog sie ihre Hose herunter und ging in die Hocke. Der Stolz darüber, dass der Teppich stehen blieb, zauberte ein Lächeln auf ihre Lippen.
Kaum dass sie begonnen hatte , sich zu erleichtern, rutschte der Sand unter ihren Füßen weg, so dass sie ins Straucheln kam. Während der Boden weiter absackte, wuchs der Sandhügel hinter ihr.
Sand rieselte auf sie herab , als der Hügel sich aufbäumte. Hastig zog sie ihre Hose hoch. Drehte sich um. Hörte Nesrins Warnschrei. Stolperte einen zittrigen Schritt weg von … was?
G ebannt starrte sie auf den dunkelbraunen Alptraum, der sich in Mannsgröße aus dem Sand erhob und sich auf die hinteren zwei der acht Beine stellte. Die restlichen Gliedmaßen fuchtelten in der Luft umher. Die beiden Arme mit den mächtigen Greifscheren richteten sich drohend auf Kiana. Greifscheren, die auf und zu gingen. Auf und zu. Der Schwanz mit dem gebogenen Stachel wölbte sich nach oben. Und dann nach vorn. Hin zu Kiana. Bösartig. Tödlich.
Ohne den Blick von dem Riesenskorpion zu nehmen, machte sie einen weiteren Schritt zurück, stieß gegen den aufgestellten Teppich hinter ihr. Die Greifscheren schnellten auf sie zu. Schnappten über ihr zusammen, haarbreit über ihr, in dem Moment, als sie sich rücklings auf ihren aufgestellten Teppich fallen ließ, der dabei nach hinten in die Waagrechte kippte.
Etwas sauste von rechts heran, wirbelte Sand auf: Ne srin mit Baski auf ihrem Teppich. Mit ausgefahrenen Krallen sprang das Kätzchen herab auf den Riesenskorpion. Und landete auf ihm als Säbelzahntiger.
Der Skorpion brach unter dem Gewicht der Raubkatze zusammen. Wütende Fangscheren versuchten, nach hinten zu fassen, der Schwanz mit dem Giftstachel richtete sich aus, zielte. Das auf furchtbare Weise menschenähnliche Gesicht blieb starr, nur die aus den Backen ragenden Mundwerkzeuge, die wie verkleinerte Ausgaben der Greifscheren aussahen, zuckten, als Raubtier-Baski den Skorpionschwanz abbiss, noch bevor der zustechen konnte. Aus dem Schwanzstumpf trat eine Art graublaues Blut aus.
Kiana schaffte es, auf ihrem Teppich zu entkommen. In sicherem Abstand drehte sie sich herum und sah mit angehaltenem Atem, wie sich der Säbelzahntiger von dem zuckenden Skorpion abstieß, auf Nesrin zu sprang und als kleines Kätzchen vor ihr auf dem Teppich landete.
Unmittelbar daneben erbebte noch ein Sandhügel und gab einen zweiten Riesenskorpion frei. Seine Fangscheren griffen nach Nesrin, eine erwischte den Teppichrand und zog ihn mit einem Ruck zu sich. Nesrin und Klein-Baski fielen in den Sand, und schon stürzte sich Großkatzen-Baski mit Tigergebrüll auf den Skorpion.
Nesrin kroch weg von den kämpfenden Kreaturen. Doch neben, hinter und vor ihr stiegen weitere Skorpione aus dem Sand, riefen sich kurze Kommandos zu. Kiana verstand Worte wie „Pass auf!“, „links“ und „Katzen-Bestie“. Es klang heiser und irgendwie zirpend.
Angst um ihre Freundin brandete durch Kianas Bewusstsein und fuhr in ihren Teppich hinein. Ihre Hände krallten sich beidseitig in dessen Rand, als die Beschleunigung ihn erfasste. Fangscheren öffneten sich links und rechts von Nesrins Hals.
Im Flug ließ sich Kiana zur Seite kippen, bis sie unter dem Teppich hing. So wie bei ihrem Sturzflug durch den Bunten Basar, doch nun mit voller panischer Absicht. Mit beiden Beinen stieß sie herab auf den Kopf des nächsten Skorpions, spürte die Härte des Schädels selbst durch die Schuhe, spürte, wie der Aufprall das Untier zusammensacken ließ, spürte ein
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