Goldfalke (German Edition)
hast du neue Garderobe nötig. Wir erhielten erst letzte Woche eine Lieferung edler Gewänder, die dir und deiner reizenden Begleiterin sicher schmeicheln werden. Willst du uns nicht vorstellen?“
„Das ist meine Freundin Kiana aus dem Schimmernden Palast.“
„ Die Verwüsterin des Bunten Basars?“ Die Augenbrauen des Mannes hoben sich, als sich sein Interesse ganz auf Kiana bündelte. „Es war höchste Zeit, dass jemand die Arroganz der Händler des Bunten Basars in die Schranken wies. Willkommen in unseren bescheidenen Mauern!“
Während Kiana Höfliches zurück murmelte, trat Nesrin mit wachsender Ungeduld von einem Bein auf das andere. „Selbst auf die Gefahr, dass ich nerve: Wir sollten uns wirklich über die Skorpione Gedanken machen! So nah trauen sie sich doch sonst nicht an die Karawanserei heran.“
„Haben sie sich euch gegenüber feindselig verhalten?“, erkundigte sich Alireza.
„ Na ja“, äußerte Nesrin, „man könnte durchaus sagen, sie waren etwas angepisst. Mein Dschinn …“, sie hob Baski auf den Arm, „… musste zwei oder drei von ihnen töten.“
Höflich überspielte der Herr der Karawanserei den Zweifel, der in seinen Augen lag, als er das kleine Kätzchen betrachtete. Offenbar wusste er nichts von Säbelzahntiger-Baski.
„Wenn man auf Skorpion krieger trifft“, fuhr Nesrin fort, „ist der Schreckliche Sultan auch nicht weit, oder?“
„Ich habe ihn schon seit Ewigkeiten nicht mehr ges ehen.“ Ein breites Lächeln durchflutete Alirezas Gesicht. „Habt keine Angst, meine schönen Mandelblüten! Die Karawanserei ist sicher. Seit Monaten streichen Skorpionkrieger in der Nähe umher, doch weder sie noch der Löwen-Sultan noch seine sonstigen Vasallen würden einem Angriff wagen. Unsere Kanonen, Feuerschleudern und Blitzwerfer würden sie zerfetzen und rösten.“ Er legte einen Zeigefinger an sein Kinn. „Wie wohl gerösteter Riesenskorpion schmecken mag? Ich sollte das überprüfen. Vielleicht lässt sich daraus ein gutes Geschäft machen.“
Nesrin schüttelte sich. „ Allein die Vorstellung ist ekelhaft!“
„Ich habe doch nur Spaß gemacht!“ Das Berechnende in seinem Blick deutete jedoch etwas anderes an. „Nun entschuldigt mich bitte! Ich muss Maryam davon abhalten, meinen Pferdehändler übers Ohr zu hauen. So schön ihre Stuten auch sind, so wild sind sie auch. Genießt die Karawanserei, meine Palastblumen, und fühlt euch wie zuhause! Hier seid ihr vor Skorpionkriegern und anderem Gesindel sicher.“ Mit wehendem Gewand verschwand er in der Menschenmenge.
„Na schön!“ Nesrin verzog das Gesicht. „Der muss es ja wissen. Aber in einem hat er Recht.“ Sie griff nach ihrem rechten Hosenbein, wo ein langer Riss im Stoff von der Scherenwirkung eines Skorpionarmes zeugte. „Ich brauche eine neue Hose. Was hältst du davon, wenn wir uns gleich was Neues kaufen, damit wir es frisch anziehen können, nachdem wir im Badehaus waren. Und dann muss ich uns noch ein Zimmer für die Nacht buchen. Ach ja, und meinen Teppich zum Teppichflicker bringen. Dieser blöde Skorpion, der mich und Baski von Teppich geholt hat, hat doch echt einen Riss rein gemacht. Nicht schlimm, sieht aber echt Scheiße aus. Und anschließend gehen wir in die Teestube zum besten Halwa diesseits des Kristallgebirges. Hört sich das gut an?“
Ja, das tat es .
Mit rechtschaffener Erschöpfung sanken Nesrin und Kiana frisch gebadet und neu eingekleidet in die Sitzpolster der Teestube, ließen sich süßen Tee und ein mehrgängiges Mahl servieren und betrachteten durch die offenen Rundbogenfenster das rege Treiben der Karawanserei. Auch jetzt noch, da sich die Wüste in völlige Dunkelheit hüllte, kamen neue Reisende durch das Tor, auf Teppichen, Karren oder den unterschiedlichsten Reittieren. Pferde und Esel waren darunter, doch die Hauptgruppe bildeten die Kamele - einhöckrige Dromedare und zweihöckrige Trampeltiere und zu Kianas Überraschung auch ein dreihöckriges Tier mit gebogenen Hörnern.
„Und?“, fragte Nesrin kauend. „Wie findest du den Ha lwa?“
„ Sehr gut.“ Dass sie überhaupt die Möglichkeit hatte, eine Riesenmenge Halwa zu verdrücken und sich erdreisten konnte, diesen auch noch kritisch zu beurteilen, schickte ein Lächeln über Kianas Lippen. Noch vor kurzem war sie froh gewesen, wenn sie am Ende der Fastenzeit ein paar Happen dieser Süßspeise ergattern konnte. Tante Shabnam stellte Halwa immer aus gebratenem Grieß mit Zucker her. Hier in der
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