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Goldfasan

Goldfasan

Titel: Goldfasan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Zweyer
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Hauptkommissar rief sich das Gespräch mit Munders Nachbarin in Erinnerung und ihm wurde bewusst, dass er einen Fehler gemacht hatte. Er hätte Hannelore Nieper genauer über die Jugendlichen ausfragen müssen. Golsten wurde es heiß. »Ich habe sie nicht explizit danach gefragt. Sie war sich allerdings sicher, dass das keine Nachbarskinder waren.«
    Für einen langen Moment hörte Golsten nur den Atem Saborskis. Dann sagte dieser leise: »Sollte sich herausstellen, dass durch Ihr Fehlverhalten dieses schändliche Attentat möglich wurde, dann gnade Ihnen Gott. Kümmern Sie sich um den toten Säugling. Und zwar ausschließlich.«
    »Jawohl, Sturmbannführer.«
    Es knackte. Saborski hatte aufgelegt.
    Golsten wischte sich den Schweiß von der Stirn. Vermutlich hätte die Nieper keine brauchbare Beschreibung der Jugendlichen abgeben können. Und selbst wenn, hätte Munder wegen herumlungernder Kinder Personenschutz erhalten? Wohl kaum. Aber Saborski hatte natürlich recht. Er hatte sich falsch verhalten. Er hätte eine Frage stellen und die Antwort in seinem Bericht vermerken müssen. Eine einzige kleine Frage. Und er wäre aus dem Schneider gewesen. So aber steckte er mittendrin im Schlamassel.
    Golsten beschloss, seinen Bericht über das Gespräch mit Kaczyk und dem Rechtsmediziner etwas liegen zu lassen. Es konnte nicht schaden, wenn Saborski nicht so schnell erfahren würde, dass möglicherweise ein Zusammenhang zwischen dem Mord an der Polin und dem an dem Säugling bestand. So konnte sich Golsten an Saborskis Anweisung halten und trotzdem im Umfeld des toten Parteibonzen weitere Erkundigungen einholen.
    Jemand klopfte. Der Bote brachte die Post. Gedankenverloren blätterte Golsten die bereits geöffneten Briefe durch. Die üblichen anonymen Anschuldigungen und Denunziationen, Protokolle von Sitzungen, Anweisungen. Und sein Schreiben an den Unteroffizier Schmidt. Quer über die Adresse war ein dicker Stempel gesetzt worden. Feldpostnummer unbekannt, stand da. Retour.
    Golsten griff zu seinen Notizen und verglich die dort notierten Zahlen mit denen der Adresse. Tatsächlich: Er hatte zwei Zahlen vertauscht. Alles andere jedoch war richtig. Waren diese Bürokraten der Wehrmacht noch nicht einmal in der Lage, eine eindeutig falsche Feldpostnummer durch einen einfachen Blick in das Feldpostverzeichnis zu korrigieren? Zwei Wochen hatte es gedauert, bis der Brief wieder bei ihm auf dem Schreibtisch gelandet war. Zwei ganze Wochen! Das Fahrzeug, das das Haus der Schmidts in der Nacht passiert hatte, in der das Kind vermutlich verscharrt worden war, war der einzige brauchbare Hinweis, den Golsten in Sachen Säuglingsmord hatte. Dürftig genug.
    Wütend über sich selbst knüllte er das unzustellbare Schreiben zusammen und warf es auf den Boden. Verdammt! Noch so ein vermeidbarer Fehler.
    39
    Mittwoch, 21. April 1943
    S aborski hatte von Schmeding in den Bochumer Stadtpark gebeten. Er glaubte zwar nicht, dass irgendjemand die Gespräche abhörte, die er in seinem Büro führte, er wollte aber kein Risiko eingehen. Sollte wider Erwarten durchsickern, dass er es gewesen war, der Munders Ermordung befohlen hatte, würde er mehr als nur Schwierigkeiten bekommen. Hedder, da war sich Saborski sicher, würde sich nicht vor ihn stellen, im Gegenteil. So aber wussten nur drei Menschen von der Tat. Und dabei sollte es bleiben.
    »Gute Arbeit, von Schmeding«, stellte Saborski anerkennend fest, nachdem er den Obersturmführer begrüßt hatte.
    »Danke. Aber mir ist der Zufall zu Hilfe gekommen.«
    »Sie meinen den Schuss des anderen?«
    »Genau.«
    »Wie auch immer. Die Chance war da und geistesgegenwärtig haben Sie sie genutzt. Nicht jeder hätte so gehandelt.«
    »Danke.«
    »Hoffentlich hat Sie niemand gesehen. Sicher haben Sie in der Zeitung gelesen, dass wir Zeugen des Vorfalls suchen. Diese Idee stammt nicht von mir, sondern von der Herner Parteispitze höchstpersönlich. Ich konnte mich diesem Wunsch zu meinem Bedauern nicht entziehen.«
    »Verstehe.«
    Sie näherten sich dem Teich, auf dem nur wenige Enten schwammen. Saborski erinnerte sich an den Bericht eines seiner Beamten, nachdem viele Bochumer trotz Verbots den Tieren nachstellten, um ihre Speisekarte mit Frischfleisch zu bereichern. Komisch, dass ihm das ausgerechnet jetzt einfiel.
    »Erzählen Sie, was genau passiert ist.«
    »Munder lag auf dem Boden und versuchte, sich aufzurichten. Er schrie und war so mit sich beschäftigt, dass er mich nicht kommen sah. Erst als

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