Goldfieber
Aufregung erwartet, Garrett. Aber ich bin froh, dass es anders gekommen ist. Jetzt wirken die beiden gar nicht mehr so schrecklich, nicht wahr?«
»Genauso wenig wie ein Säbelzahntiger, wenn er todkrank ist. Aber seid vorsichtig. Sie sind nicht mal völlig harmlos, wenn man sie aufhängt.«
»Ich bin immer vorsichtig, Garrett.«
Das glaubte ich ihm gern. Aber war er auch vorsichtig genug?
Ich blieb nur so lange bei der Bande, bis wir den Slum hinter uns hatten. Vor meinen patriotischen Freunden sollte ich mich besser nicht mit ihnen blicken lassen.
Die angeketteten Kinder würden fünf Jahre im Cantard bekommen. Noch vor dem Abend würden sie sich an Bord von Gefangenenbarken wiederfinden. Die Minen brauchten immer gute Leute. Oder wen sie auch sonst bekommen konnten. Ein paar Jahre in den Minen war jetzt schon die allgemeine Strafe für jedes Vergehen, das kein Kapitalverbrechen war.
Für einige bedeuteten die Minen die Todesstrafe.
Also, was hatte sich seit meiner Jugend groß verändert? Diese Kinder hier würden Schaufeln statt Schwerter in die Hand gedrückt bekommen, und ihre Chancen, lebendig aus dem Cantard nach Hause zu kommen, standen noch schlechter.
62. Kapitel
Mein Lieblingsort für exotische Recherchen ist die Königliche Karentinische Bibliothek. Sie steht da, wo sich alle Regierungsgebäude der Innenstadt drängeln und sich an dem Rocksaum des Hügels festhalten. Es gibt da eine Menge Bücher – und keine Zauberer, die sie zu einem riskanten Ziel machen.
Die interessantesten Bücher der Stadt sind natürlich weggesperrt, auf dem Hügel, verschlossen und versiegelt, mit einem Todeszauber belegt und mit der Aufschrift »VORSICHT VOR DEM ZAUBERER« versehen. Nur hirnlose Muskelmänner aus Barbarien versuchen, an sie heranzukommen. Was die Zauberer ständig mit frischem Leder für die Einbände versorgt.
Die Königliche Bibliothek ist eine Laune der Krone. Eigentlich steht sie dem Publikumsverkehr nicht offen. Aber das kann ich umgehen. Ich habe da drin eine Freundin.
Linda ist ein wahrer Schatz. Und süß ist sie obendrein. Vor allem, wenn sie wütend ist, was sie immer zu sein scheint, wenn ich mal vorbeischaue.
»Du bist wirklich unverbesserlich, Garrett!«, fuhr sie mich an. »Wie bist du diesmal hereingekommen? Und wieso lässt du immer noch diesen vorlauten Pinguin auf deiner Schulter parken?« Ich war zu Hause vorbeigegangen. Nur für den Fall, dass mein gelehrter Partner nicht länger die Tatsache verleugnete, dass wir noch Partner waren. »Du lernst nur langsam.« Sie war kein großer Fan des Papageis. Aber sie bewunderte die Art, wie ich ihm Worte in den Schnabel legte, ohne meine Lippen zu bewegen. Und das sogar aus einem anderen Zimmer.
Das Geheimnis, wie man in die Bibliothek gelangt, ist ganz einfach: Man drückt sich durch eine winzige Seitentür, die der Aufmerksamkeit fast der ganzen Welt entgangen ist. Allerdings würde der größte Teil der Welt auch eher versuchen, aus der Bibliothek hinauszukommen, als hineinzugelangen. Bücher sind wirklich gefährlich.
Die Bibliothekswachen werden so schlecht bezahlt, dass es sie absolut nicht interessiert, wer kommt und wer geht. Und die gleichgültigsten Wachen bekommen den Seiteneingang. Jung oder alt, der Mann auf dem Posten ist entweder betrunken oder er schläft. Oder er schläft und ist betrunken. Oder er ist möglicherweise gar nicht da, weil er Durst hat und versucht, irgendwo einen Drink zu ergattern.
Ich musste trotzdem auf Zehenspitzen hineinschleichen. Die Wachen haben auch ihren Stolz. Wenn man sich diese Mühe nicht macht, fangen sie an zu schreien. Denn wenn man sich nicht bemüht, nicht aufzufallen, haben sie nicht die Möglichkeit, sich bei der Schreckschraube herauszureden, die über diesen Ort herrscht.
Heute schnarchte der standfeste Hüter der unschätzbaren Wälzer betrunken und hatte einen großen, gewaltigen Krautjoint in der linken Hand. Er würde sich jeden Moment bis auf die blanke Haut vorbrennen …
»Au!«, gellte es durch das Gebäude.
»Was war das?«, kreischte jemand. Das war die leitende Bibliothekarin, ein hinterhältiges altes Miststück mit einer so üblen Laune, dass sie an ihren besten Tagen wirkte wie ein Troll mit Zahnschmerzen. Sie setzte sich mit ihrem schlurfenden Gang in Richtung Wachhäuschen in Bewegung. In den zurückliegenden Jahrhunderten hatte sie alle Sympathien für die Jugend verloren. Und ihre eingeschworene Mission war es, dem Leben selbst in die Quere zu
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