Goldfieber
dass er mir am liebsten die Kleider vom Leib reißen würde.«
»Hey! Du bist genauso klug wie hübsch. Natürlich will er dich ausziehen. Ich würde mir über jeden Kerl Gedanken machen, der das nicht wollte.«
Das hob schlagartig ihre Laune. Sie sah mich an, als spiele sie selbst mit dem Gedanken, ein bisschen an meinen Klamotten herumzuzupfen.
Ich musste diesen Kelch wirklich nicht leeren. Nicht heute Abend.
»Vielleicht will er ja dein Zeug selbst tragen. Wie wär's, wenn du ihn für mich im Auge behältst? Was ist eigentlich aus Tinnie geworden?« Der Rotschopf hatte sich genauso rar gemacht wie Tom und Jerry.
»Das weiß ich nicht.« Sie war offenbar gereizt, dass ich überhaupt fragte, wo ich doch jetzt mit ihr zusammen war und sie offensichtlich vorhatte, mir näher zu kommen. »Vor einer Minute war sie noch hier.«
Auch gut. Vielleicht war es ganz gut, wenn sie mir nicht auf den Fersen war. »Ich werde ein bisschen herumschlendern«, erklärte ich. Bevor ich möglicherweise in einen richtig großen Schlamassel schlidderte, und zwar gleich hier auf der Stelle.
33. Kapitel
Ich stieg die Haupttreppe in den ersten Stock hinauf. Bösewichte, die es nach oben zog, würden sicher nicht so eine einsehbare Route benutzen. Also marschierte ich Richtung Hintertreppe, nachdem ich eine Weile vor Weiders Arbeitszimmertür gelauscht hatte. Drinnen schien alles in normaler Lautstärke zuzugehen. Und in diesem Stockwerk befand sich niemand bis auf die Leute in dem Zimmer. Ich hörte nur die Musik von unten.
Vorsichtig stieg ich die Dienstbotentreppe hinauf. Die Art, wie diese Gespenster sich verteilt hatten, legte nahe, dass sie sich hier ziemlich gut auskannten. Und das ließ auf einen Spion von innen schließen, was mir ganz und gar nicht gefiel.
Ich verfügte über keine schärfere Waffe als meinen Verstand, was bedeutete, dass die Jungs nicht viel Schwierigkeiten haben würden, mich zu entwaffnen. Und diejenigen, die ich vorher enttarnt hatte, warteten vermutlich schon auf mich.
Jemand hielt hier jemanden zum Narren. Vielleicht machte ich mich aber auch nur selbst verrückt. Ich war sicher, dass ich im zweiten Stockwerk in einen Hinterhalt laufen würde. Aber nichts passierte.
Auch hier fand ich niemanden, obwohl ich eine Suite nicht überprüfte. Die Liebste vom Alten war unantastbar. Hier lag Hannah, dem langen, zähen Prozess eines quälenden, elenden Todes überantwortet. Alle anderen amüsierten sich unten.
Ein markerschütternder Schrei ging mir durch und durch. Todd würde sich ebenfalls nicht an den Festlichkeiten beteiligen. Aber diesmal klang sein Schrei igendwie anders. Hatte der Teufel in seinem Hirn etwa konkrete Gestalt angenommen?
Ich blieb weiter vorsichtig, denn ohne meinen Nussknacker fühlte ich mich nackt. Aber dieses Ding passte einfach nicht zu meiner förmlichen Kleidung. Ich brauchte ein schickes Hilfsmittel, vielleicht eine Krücke, die man in vornehmer Umgebung benutzen konnte. Zum Beispiel eine Degenkrücke, mit der man humpeln und gleichzeitig stechen konnte. Morpheus hat so eine.
Ich bemerkte nichts Ungewöhnliches. Die Weider-Villa war oberhalb des ersten Stockwerks nur sparsam möbliert. Nicht mal ein alter Streitkolben oder ein Morgenstern schmückten die Wände. Das ganze Zeug von unten war in einer Ecke von Weiders Bibliothek untergebracht, außerhalb der Reichweite jeder Versuchung.
Noch ein Schrei. Der hier kündete eindeutig von realem, körperlichem Schmerz. Waren meine verschwundenen Kellner etwa dabei, Todd zu quälen? Warum sollten sie sich mit einem geistigen Krüppel abgeben? Angenommen, jemand hatte noch aus dem Cantard ein Hühnchen mit ihm zu rupfen: Wie sollte er Befriedigung daraus ziehen, jemanden zu quälen, der nicht mal wusste, wer er war? Todd lebte in einer Welt, für die kein anderer den Schlüssel besaß.
Nichts machte Sinn.
Das lag allerdings nur daran, dass ich nicht genügend Informationen besaß. Das würde mir der Tote Mann unter die Nase reiben. Die bösen Jungs würden sich davon nicht in ihren Plänen beirren lassen.
Ich hörte leise Schritte auf der Treppe unter mir, unmittelbar vor einer der engen Kurven. Jemand schlich sich an, ohne dabei allerdings sonderlich geschickt zu sein. Das war eine leichte Beute … Falls es mir gelang, mich nicht blicken zu lassen.
Ich setzte mich hin und wartete.
Alyx tauchte auf dem kleinen Absatz der Treppe auf. Sie achtete mit übertriebener Sorgfalt auf ihre Schritte und quietschte, als sie mich
Weitere Kostenlose Bücher