Goldfieber
Zeit hatte ich mein Glück häufig strapaziert, und das Schicksal würde mir sicher keine Auszeit wegen schlechten Benehmens gewähren. Es kam ein verdammtes Ding nach dem anderen, und dabei wurde mir einfach zu oft über den Schädel gehauen.
Man kann eben nicht mit dem Kerl mit der Sichel Knochen kegeln, ohne manchmal einen Fehlwurf zu landen.
Ich riss mich zusammen. Den Trick hatte ich im Corps gelernt. Auf die harte Tour. Ich holte tief Luft, hielt sie einen Moment an und fragte dann Gilbey: »Gibt es mehr als einen Ausgang aus Todds Suite?«
»Möglich. Es gibt überall im Haus Dienstbotengänge. Aber wenn wir uns beeilen, sollte das eigentlich kein Problem sein.«
Allerdings. Und vielleicht hätte ich auch Schraubers Jungs mitnehmen sollen, nur für alle Fälle.
»Wenn ich wüsste, wo wir hingehen, würde ich dich zurücklassen, damit du in Ruhe nachdenken kannst, Garrett«, sagte Belinda.
Mein ganzes Leben lang hat man mir vorgehalten, dass ich zu viel nachdenke. Außer wenn mir irgendwelche Mädchen vorwerfen, dass ich nicht genug nachdenke.
So läuft es eben. Mann kann einfach nicht gewinnen.
Ich trat in den Flur.
Der Luke-Ersatz hielt genau an der Stelle Wache, wo eigentlich Luke sein sollte. Während er mich misstrauisch ansah, setzte ich ein strahlendes Lächeln auf. Belinda und Gilbey folgten mir auf dem Fuß. »Hey, Luke. Der Alte will, dass Todd runterkommt. Er möchte, dass die ganze Familie bei der Verlobungsankündigung zusammenhockt.«
Wer auch immer Luke wirklich war, er konnte schlecht widersprechen, ohne sich selbst zu verraten. Aber er konnte auch Todd nicht hinuntergehen lassen, ohne ein Desaster zu verursachen. Ich ließ ihm keine Zeit, seine Möglichkeiten abzuwägen.
Eine Armbrust ist kein typisches Instrument, wenn man einfach nur jemanden innerhalb seines Hauses begleiten will. Der falsche Luke kam ziemlich schnell dahinter.
Er warf sich zurück, als ich ihm mit meiner freien Hand eine knallen wollte, und versuchte, in Todds Suite zu flüchten. Das ließen wir nicht zu. Aber es gelang ihm, einen höllischen Lärm zu veranstalten.
Schließlich ging er zu Boden. Belinda hatte ihm ein Messer durch die Kehle gezogen.
Gilbey und ich stürmten die Suite.
»Nun, offenbar gibt es tatsächlich mehr als einen Ausgang«, sagte ich, als ich die offene Tür sah.
Hinter dem Paneel war kein Licht außer dem, das aus der Suite hineinfiel. Das genügte. Wir erkannten, dass der Gestaltwandler nur treppabwärts hatte laufen können. Das hier hätte auch gut als Geheimgang durchgehen können. Die Öffnung war kaum breit genug für einen Erwachsenen meiner Größe. Die Treppe war beinahe so steil wie eine Leiter. Ich donnerte hinunter zum nächsten Stockwerk. Hier stand auch eine Tür offen. Man kam durch einen Besenschrank hinaus. Dahinter befand sich der Hauptflur. Gilbey blieb bei mir. Wir wollten nicht zulassen, dass der Wandler einen zu großen Vorsprung bekam. Er würde sonst wieder sein Gesicht verändern.
Eine Tür im Flur bewegte sich noch. Wir stürmten in den Raum und blieben wie angewurzelt stehen.
Es war Hannah Weiders Schlafzimmer. Es roch nach Krankheit und Verzweiflung. Die sterbende Frau war seit Generationen hier gefangen. Ihr Gesicht hellte sich auf, als sie uns sah. Und sie wollte etwas sagen.
Hannah Weider war so verrunzelt und hatte so viele Leberflecken, dass sie eher wie Max' Großmutter wirkte denn wie seine Ehefrau.
Sprechen konnte sie nicht mehr. Dafür wackelte sie mit einem Finger.
Gilbey kapierte. »Er ist unter dem Bett.«
Tom Wendehals schoss heraus. Er stürmte zur Tür, begriff, dass ich eher da sein würde, und warf sich zurück aufs Bett. Dann schnappte er sich Hannah und hielt sie wie ein Schild vor sich. Ein Messer tauchte auf. Es war nicht nötig, dass er die Drohung auch noch aussprach.
Alyx erschien in der Tür. »Mama, ich hab dir etwas von Tys … Himmel! Was zum Teufel soll das?«
Tom drehte sich erschrocken um.
Mama versuchte, ihr kleines Schätzchen zu ermahnen, solche Ausdrücke zu vermeiden.
Ich schoss Wendehals in die Stirn.
Wie gesagt, ich war mal ziemlich gut mit diesen Dingern. Und anscheinend hatte ich den Bogen noch raus.
47. Kapitel
»Sie ist tot!«, jammerte Alyx. »Das war zu viel für sie!« Von Übermut war bei ihr nichts mehr zu spüren. Sie war kurz davor zu zerbrechen. Und sie schüttelte ihre Mutter, als könnte sie Hannah damit zurückholen.
Belinda tauchte auf. Sie hatte ihren Wandler im Griff. Sie sah Alyx
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