Goldfieber
bedeckt sind. Er bittet Cortés, auf dem Thron seines Vaters Platz zu nehmen, während er selbst sich darum kümmern werde, dass wir alle eine reichhaltige Mahlzeit bekämen. Wenn wir uns gestärkt hätten, werde er zurückkehren und uns mit einer Ansprache begrüßen, wie es so bedeutenden Gästen gezieme.
So geschieht es tatsächlich: Während Diego und ich den ungeheuer großen Palast erkunden, tragen Scharen aztekischer Diener in einem halben Dutzend gigantischer Säle ein reichhaltiges Abendessen auf. Der Palast verfügt über zahllose Säle und Vorzimmer und jeder einzelne Raum ist mit kostbaren Lederkissen, Baumwoll- und Federdecken, Pelzroben und Flechtmatten ausgestattet. Es gibt Unmengen an kunstvoll geschnitzten Schränkenund Holzsesseln und in den einfacher ausgestatteten Nebengebäuden finden auch unsere sämtlichen indianischen Verbündeten Platz. Die Geschütze postieren wir wiederum in den Palasttoren, wie schon in Cempoallan und Cholollan, sodass sie den Tempelplatz in seiner gesamten Länge und Breite bedrohen.
Doch vorerst denkt niemand von uns mehr an irgendwelche Bedrohungen. Nachdem wir uns gesättigt und unseren Durst gestillt haben, feuern unsere Gewehrschützen und Artilleristen donnernde Freudensalven in die Luft ab. Wir laufen nach draußen, in den weitläufigen Hinterhof des Palastes, der einem üppigen Park ähnelt, und schreien und rufen alle durcheinander. Auch ich lasse endlich die Schreie heraus, die mir seit heute früh in der Kehle steckten – und zumindest in meinen eigenen Ohren hören sie sich wie Jubelrufe an.
Doch Carlita, die sich im allgemeinen Trubel zu mir herangepirscht hat, schaut mich erschrocken an. »Was ist mit dir, Orte?«, flüstert sie mir zu. »Du schreist, als ob dir jemand ans Leben will!«
»Gar nichts ist mit mir!«, beteuere ich und verschließe Carlitas Mund mit einem hastigen Kuss. »Unser Herr und Montezuma sind schon dabei, Freundschaft zu schließen«, fahre ich fort, nachdem sich Carlita wieder aus meinen Armen befreit hat. »Alles wird gut ausgehen, Carlita«, behaupte ich und weiche ihrem Blick aus. »Das spüre ich ganz genau!«
Später am Abend kommt Montezuma wie angekündigt noch einmal zu uns in den Palast. Er wird von seinen Wächtern und Ratgebern begleitet, und Cortés führt ihn wie selbstverständlich in den Thronsaal und winkt seinen Vertrauten, ihm zu folgen. Im Fackellicht schimmern die Goldtapeten wahrhaftig wie in einem Fiebertraum.
Montezuma wartet, bis Cortés auf dem Thron Platz genommen hat, auf dem in früheren Zeiten Montezumas Vorgänger gesessen haben. Der Thron ist ein kunstvoll geschnitzter Sessel,der verschwenderisch mit Gold und Silberketten geschmückt ist. Auch die Füße des Sessels sind mit Gold überzogen. Montezuma nimmt unserem Herrn gegenüber auf einem bescheideneren Sitzmöbel Platz und beginnt zu sprechen. Schon nach wenigen Sätzen bin ich drauf und dran, meinen eigenen Beteuerungen zu glauben, mit denen ich vorhin Carlita beruhigen wollte. Alles wird gut ausgehen, ja wie denn sonst!
»Betrachtet Tenochtitlan als Eure Stadt, Don Hernando, und diesen Palast als Euer Haus!«, ruft Montezuma aus. »Versichert Eurem König, dass ich sein ergebenster Diener bin!«
Marina übersetzt, und Cortés sagt halblaut zu Alvarado: »Ergebenster Diener – das heißt doch, dass er sich zum treuen Vasallen von König Karl erklärt.«
Der »Durchtriebene« grinst verschlagener denn je. Zusammen mit Cortés’ anderen Vertrauten steht er hinter dem Thron. Gerade beugt er sich nach vorn, um unserem Herrn etwas zuzuraunen, doch da redet Montezuma schon weiter.
»Seid Ihr der wiedergekehrte Quetzalcoatl, bärtiger Herr?«, fragt der Herrscher in unterwürfigem Tonfall. »Meine Hohepriester und meine weisesten Ratgeber sind seit vielen Monden bemüht, dieses Geheimnis zu erforschen. Noch haben wir die Antwort nicht gefunden, doch ich fühle in der tiefsten Tiefe meines Herzens, dass Ihr ein Herrscher und Gott seid. Also zögert nicht, ich flehe Euch an, im ganzen Land in meinem Namen Befehle zu erteilen, als ob dies Euer eigenes Land wäre! Und verfügt über all mein Hab und Gut, wie es Euch gefällt!«
Nachdem Marina diese Worte übersetzt hat, kommt mir sogar unser Herr beeindruckt, ja bewegt vor. »Oder waren das auch wieder nur Höflichkeitsfloskeln?«, fragt er Marina. »Mir schien es, als meinte er das wirklich so!«
Marina zuckt mit den Schultern. »Ich bin nur die Tochter eines Dorfkönigs«, sagt sie. »Montezuma
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