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Goldfieber

Goldfieber

Titel: Goldfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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und seine Edelleute sprechen ein so vornehmes Nahuatl, dass ich sowieso schon Mühe habe,alles zu verstehen. Einige Höflichkeitsformeln wie ›Ich küsse Eure Füße‹ kennt bei uns jedes Kind. Aber ob der Große Montezuma Euch eben tatsächlich sein Land und Eigentum zu Füßen gelegt hat, vermag ich nicht zu sagen.«
    Cortés starrt durch sie hindurch. »Aber ich!«, sagt er in abwesendem Tonfall und erhebt sich.
    Montezuma richtet sich gleichfalls auf. Erwartungsvoll, mit einem fast kindlichen Gesichtsausdruck schaut er Cortés an.
    »Seid bedankt für Eure freundlichen Worte, Großer Montezuma«, sagt unser Herr in seinem sanftesten Tonfall, »und für die gastfreundliche Aufnahme in diesem Palast Eures ehrwürdigen Vaters. Seid versichert, dass ich Euch liebe, Montezuma. Mein Herz ist heute zufrieden. Seit so langer Zeit wünschte ich, Euch zu sehen und mit Euch zu sprechen. Dieser Wunsch beginnt sich nun zu erfüllen. Fürchtet nichts!«, sagt Cortés und bemüht sich um ein warmes Lächeln. »So lange schon sehnt sich Euer Herz nach mir und nun kann uns nichts mehr trennen.«
    Sichtlich gerührt dankt Montezuma unserem Herrn und wünscht ihm und uns allen eine gute Nacht. Bevor er uns verlässt, lädt er »Don Hernando, seine Hauptleute und Ratgeber« für morgen Abend in seinen Palast ein.
- 4 -
    Als ich am nächsten Tag erwache, ist meine Hochstimmung vom Vorabend verflogen. Diego steht am Fenster unserer Kammer, das auf den großen Platz hinausgeht. Als er sieht, dass ich meine Augen geöffnet habe, winkt er mich aufgeregt zu sich her.
    Ich werfe meine wunderbar leichte Federdecke zur Seite und rappele mich von der weichen Matratze auf. Sogar unsere Pagenkammer ist bequemer und kostbarer ausgestattet als die Königsgemächer in Cempoallan! Unser Herr ruht nebenan auf schneeweißen Pelzroben, unter einem Betthimmel aus roten Vogelfedern, und die Wände seines Schlafgemachs sind mit Blattgold überzogen.Zumindest waren sie das gestern Abend noch, sage ich mir – gut möglich allerdings, dass der »Dröhnende« unterdessen jeden goldenen Krümel von den Wänden abgekratzt hat.
    »Sieh dir das an, Orte!«, sagt Diego mit gepresster Stimme.
    Ich trete neben ihn und spähe durch das Lukenfenster hinaus. Da draußen auf dem Platz ist alles schwarz vor Menschen. Männer und Frauen, kleine Kinder und Greise. Manche stehen in Gruppen beisammen, die meisten aber kauern am Boden, wie es bei den Indianern üblich ist: die Arme um die Knie geschlungen, reglos wie Pilze.
    »Sie starren alle hierher!«, flüstert Diego. »Das ist unheimlich, findest du nicht? Noch unheimlicher als in Cholollan – da haben sie uns wenigstens gezeigt, dass sie uns für ihre Feinde halten!«
    Die Sonne steht schon hoch über der Stadt. Anscheinend haben wir den halben Tag verschlafen – kein Wunder nach den Strapazen der letzten Zeit. »Bestimmt sind sie einfach nur neugierig«, sage ich. »Wir sind die Gäste ihres Königs! Montezuma hat Cortés als seinen Freund bezeichnet. Glaub mir nur, hier ist alles anders als in Cholollan!«
    Diego schaut mich an und plötzlich beginnt er zu grinsen. »Du hast recht, Orte – ich sehe Gespenster«, sagt er und schlägt mir auf die Schulter. »Weißt du, ich bin eben ein Soldat! ›Lieber von Feinden umzingelt als zwischen Leuten sein, die freundlich tun und denen ich nicht über den Weg traue.‹ So hat sich Guerrero neulich in Cholollan ausgedrückt – und ich empfinde es genauso.«
    »Aber lass dir nichts anmerken!«, gebe ich zurück und täusche einen Faustschlag in seine Magengrube vor. »Wenn uns Montezuma aus irgendeinem Grund plötzlich für seine Feinde statt für seine Gäste hält, kann er uns in seiner Faust zerquetschen.«
    Ich mache es ihm mit meiner linken Hand vor, während ich mit der rechten nach meinem Obergewand angele. Diego lacht auf und wendet sich vom Fenster ab. Zu meinem Erstaunenscheint er mir tatsächlich zu glauben – dafür bin nun ich von kribbelnder Unruhe erfüllt. Nur mit Mühe gelingt es mir, meinen Blick von der geisterhaft schweigsamen Menge da draußen abzuwenden. Meinen Blick – und vor allem meine ahnungsvollen Gedanken.
    »Ich schaue mal rasch nach Carlita«, sage ich und fahre mir mit gespreizten Fingern durch mein Haar. »Bestimmt muss sie schon wieder mit den tlaxcaltekischen Dienerinnen Tortillas backen!«
    »Das arme Adelsfräulein!«, antwortet Diego und grinst noch breiter. »Willst du mir nicht endlich mal erzählen, wer sie in Wirklichkeit

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