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Goldfieber

Goldfieber

Titel: Goldfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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ist?«
    Ich schnalle mir meinen Gürtel um und schlüpfe in meine Stulpenstiefel. »Ein Mädchen aus einer einfachen Kleinadelsfamilie«, sage ich. »Das habe ich dir doch schon hundertmal erklärt.«
    Diego verschränkt die Arme vor der Brust und macht schmale Augen. »Und warum hat Cortés dann angeordnet, dass sie sich als tlaxcaltekische Dienerin verkleiden soll? Kannst du mir das vielleicht auch noch erklären, Orte? Das kann doch nur bedeuten, dass irgendjemand aus Montezumas Gefolge sie erkennen könnte, wenn sie sich in Cortés’ Nähe aufhält!«
    Ich starre durch ihn hindurch, bis Diego gereizt auflacht. »Du machst ihn nach, Orte, merkst du das eigentlich?«, ruft er aus.
    Bevor Diego sehen kann, wie mir das Blut in die Wangen schießt, fahre ich herum und stürze aus der Tür. »Keine Ahnung, wovon du redest!«, sage ich über die Schulter – dabei weiß ich ganz genau, dass Diego recht hat. Auch diese Gewohnheit, über die Schulter zu sprechen, ohne mich richtig umzuwenden, habe ich von Cortés abgeschaut.
    Die Königsgemächer, in denen Cortés logiert, liegen im ersten Stock des Palastes. Gerade eile ich den mit Pelzteppichen und Baumwollmatten ausgelegten Flur entlang zur Treppe, da fliegteine Tür auf und Sandoval tritt heraus. »Ah, Orteguilla!«, sagt er. »Gut, dass ich dich hier erwische – wir versammeln uns unten im Thronsaal. Große Lagebesprechung – und du sollst auch dabei sein!«
    »Jetzt sofort?«, frage ich und gebe mir Mühe, meine Enttäuschung zu verbergen.
    Sandoval lacht auf. »Ja – jetzt gleich! Die Liebe muss warten, Junge!« Er tritt näher zu mir heran, zieht schnüffelnd die Luft ein und rümpft die Nase. »Unten im Palast gibt es übrigens ein vorzügliches Bade- und Schwitzhaus. Was hältst du davon, erst einmal dorthin zu gehen, bevor du deine Schöne das nächste Mal umarmst?«
    Vor Empörung atme ich heftig ein und da steigt mir ein seltsamer Duft in die Nase: Der »Tollkühne« riecht nach Rosen und Veilchen wie ein ganzes Blumenbeet!
    »Ich habe es schon ausprobiert«, sagt er und lässt sein unbekümmertes Lachen ertönen. »Man fühlt sich wirklich besser danach. Die Indianer hier sind erstaunlich, findest du nicht?«, fährt er fort, während wir den Flur entlang zur Treppe gehen. »Sie sind reinlich wie Jungfrauen, sie waschen sich ihre Haare sogar mit Seife, die sie aus Avocadokernen gewinnen. Ihre Stadt und ihr Land sind allem Anschein nach so wohlgeordnet wie bei uns zu Hause nicht einmal ein dominikanisches Klostergut – und gleichzeitig beten sie diese Teufelsgötzen an! Das passt doch nicht zusammen, Junge – findest du nicht auch?«
    Darauf fällt mir nicht gleich eine Antwort ein. Aber wie denn auch – es ist ja dieselbe Frage, mit der ich mich seit Wochen immer wieder herumschlage! Während ich über Sandovals Worten brüte, eilen wir die breite Treppe hinab ins Erdgeschoss und unten durch die prachtvolle Vorhalle zum Thronsaal. Dort sitzt Cortés schon auf dem mit Goldketten geschmückten Thronsessel – in der gleichen stolzen Haltung wie gestern Abend, als Montezuma ihm sein Reich zu Füßen gelegt hat. Er sieht aus, als würde er dortam liebsten für immer sitzen bleiben – oder nein: als ob er dort eigentlich immer schon gethront hätte. Was ja in gewisser Weise auch zutrifft: In seinen Träumen ist unser Herr seit Langem ein König, mächtig und reich.
    Außer seinen engsten Vertrauten, Marina und Fray Bartolomé hat er etliche weitere unserer Hauptleute herbeibefohlen. Ich entdecke Cristóbal de Tapia, den narbigen Guerrero und sogar die beiden Franciscos – Montejo und Morla. Gut zwanzig Männer sind hier versammelt und die Stimmung ist angespannt. Auch Geronimo de Aguilar schlüpft zuletzt noch in den Saal. Was hat der Tätowierte hier zu suchen? Seit unser Herr ihn nicht mehr als Übersetzer braucht, habe ich den einstigen Minoritenmönch kein einziges Mal mehr in Cortés’ Nähe gesehen.
    Auf einen Wink von Alvarado hin schließen die Wachen die Tür. Cortés beginnt sofort zu sprechen. »Wir sind kurz vor dem Ziel, Männer«, sagt er, »aber wir haben es noch nicht ganz erreicht. Wir sind weiter, viel weiter gekommen, als manch einer es uns zugetraut hätte – aber wir sind nun in der Lage des bewundernswerten Antoine de Ville, der auf Befehl seines Königs im Jahr 1492 den Mont Aiguille bestiegen hat: Kurz vor dem Gipfel klammerte sich de Ville an die überhängende Felswand, zitternd vor Erschöpfung und Schwindelgefühl. Doch kurz

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