Goldfieber
antwortet sein Bruder, »und hunderteinundzwanzig Kinder, davon siebenundsiebzig Söhne.«
Der Mund bleibt mir beinahe offen stehen.
»Vielleicht schenkt er dir ja ein paar Töchter, Hernán«, sagt Sandoval und zwinkert mir zu. »Ich meine, so als kleine Gegengabe – falls ihm dein Geschenk gefällt.« Er beugt sich zu mir herüber, schnüffelt an meiner Halsbeuge und grinst mir anerkennend zu.
Bei dem Gedanken, dass sie mich vielleicht wirklich allein in Montezumas Palast zurücklassen werden, wird mir ganz elend vor Bangigkeit. Aber kurz darauf habe ich meine Angst zumindest für den Moment wieder vergessen: An den Wachen vorbei, die mit Speer und Schwert bewaffnet sind und ausgehöhlte Jaguarschädel als Kopfschmuck tragen, treten wir in die Vorhalle des Palastes. Dieser Raum ist so gewaltig groß und kunstvoll ausgeschmückt, dass es mir fast den Atem verschlägt. Ich weiß gar nicht, was ich zuerst anstaunen soll – die aus Holz geschnitzten und aus Stein gemeißelten Jaguare und Adler, die grimmig dreinblickenden Könige und Krieger auf den übergroßen Wandgemälden oder die unzähligen lebenden Kolibris, Quetzal-Vögel und Papageien, die in riesengroßen Volieren unter der Decke umherfliegen.
Cuitláhuac führt uns eine breite Treppe hinauf, danach durch ein Labyrinth von Sälen und Fluren. Einige Säle sind mit Landschaftsbildernausgemalt, andere mit kunstvollen Holzdecken geschmückt. Die Flure sind mit Matten aus Fell und Federn ausgelegt. Überall begegnen wir Scharen von Dienern und Wächtern.
Endlich erreichen wir den Thronsaal. Einen prächtigeren Raum habe ich in meinem Leben noch nicht gesehen und es kann auch auf der ganzen Welt nichts Prachtvolleres geben. Nicht einmal in Venedig oder in Konstantinopel – ja nicht einmal im Palast des Kaisers von China!
- 7 -
Montezuma sitzt auf einem Thron von gewaltigen Ausmaßen, der mit Gold, Silber und Edelsteinen übersät ist. Er trägt einen Umhang aus türkisblauen Vogelfedern und sein Kopf ist mit einem hoch aufgetürmten Federputz in der gleichen Farbe geschmückt. Um den Hals hat er eine Goldkette mit nahezu daumenlangen Gliedern und einem türkisblauen Edelstein, der wie ein starres, übergroßes Auge aussieht. Wenigstens zwei Dutzend seiner Ratgeber stehen im Halbkreis hinter seinem Thron. Die meisten von ihnen sind alte Männer, die uns aus verrunzelten Gesichtern ausdruckslos anstarren. Ob auch sie uns für Götter oder andere »übermächtige Wesen« halten? Montezuma dagegen schaut uns freundlich und fast ein wenig scheu entgegen.
Sein Thronsaal ist noch sehr viel prächtiger als der alte Thronsaal drüben in unserem Palast. Sämtliche Wände und sogar die Decke sind mit Gold überzogen. Jaguarfelle, weiße Bärenpelze und andere kostbare Tierfelle liegen in verschwenderischer Fülle um den Thron herum verstreut – das einzige Sitzmöbel in dem riesigen Saal, der gewiss fünfzig auf fünfzig Schritte misst.
An der Wand hinter dem Thron, hoch über alle Köpfe erhoben, hängen eine gigantische goldene Scheibe und ein ebenso großes Rad aus Silber. Genau solche Scheiben hat Montezuma unserem Herrn vor vielen Monaten durch seinen Tributeintreiber Teudileschenken lassen – nur sind diese hier drei- oder sogar viermal so groß. Die Goldscheibe stellt offenbar die Sonne dar, die silberne den Mond. Beide Räder sind mit Bildzeichen verziert und schimmern fast so hell wie ihre himmlischen Ebenbilder.
»Ich eile und spute mich, um Euch ehrenvoll willkommen zu heißen!«, ruft Montezuma aus.
Doch dabei bleibt er ruhig auf seinem Thron sitzen, sein Zepter in der Hand. Erst als unser Herr fast schon vor ihm steht, erhebt er sich und reicht ihm beide Hände. Cortés ergreift sie und Montezuma zieht ihn zu sich heran, als wollte er die gestern verweigerte Umarmung nun doch noch nachholen. »Nehmt den Platz ein, der Euch gebührt!«, sagt er und zieht Cortés neben sich auf den Thron.
Unser Herr wirft Alvarado einen Blick zu und jenes Lächeln kräuselt seine Lippen. »Mein Herz hat sich nach Euch gesehnt, edler Freund«, sagt er und schaut Montezuma aufmerksam von der Seite an. »Letzte Nacht träumte mir, dass ich ganz genauso wie jetzt neben Euch auf diesem Thron saß. Lasst Euch sagen, Montezuma, dass Gott selbst mir durch solche Träume Seinen Willen kundtut.«
Marina übersetzt und Montezuma wechselt Blicke stummer Bestürzung mit seinen Ratgebern. Doch ehe er etwas erwidern kann, redet Cortés bereits weiter.
»Wie lange schon lechze
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