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Goldfieber

Goldfieber

Titel: Goldfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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meine Lippen bringen kann.
    »Das Relief unten vor der Pyramide, Don Hernando« sagt Montezuma und schaut Cortés erwartungsvoll an, »heißt bei den einfachen Leuten ›Huitzilopochtlis Esstisch‹.« Er deutet zum First der Pyramide hinauf. »Unsere Priester werfen die Überreste der Geopferten von dort oben die Stufen hinunter – die Köpfe und Gliedmaßen werden natürlich vorher abgetrennt«, fährt er in harmlosem Plauderton fort. »So schlagen nur die Rümpfe unten auf ›Huitzilopochtlis Esstisch‹ auf. Kadavereinsammler laden sie dann in ihre Tragen und bringen sie in die königliche Menagerie. Dort werden sie meinen Jaguaren und Alligatoren zum Fraß vorgeworfen.«
    Cortés wirft mir über die Schulter einen Blick zu. Seine Lippen sind zusammengepresst. Ich kann mir leicht zusammenreimen, was in ihm vorgeht – bestimmt ist er wieder von jenem kalten Zorn erfüllt. Doch auch er fragt sich gewiss, was Montezuma mit seinen auftrumpfenden Reden bezweckt. Hat er plötzlich beschlossen, unserem Herrn doch noch die Stirn zu bieten?
    Endlich haben wir den First der Pyramide erreicht. Die Tempelanlage besteht aus zwei verwinkelten, anscheinend fensterlosen Bauwerken mit einem freien Platz dazwischen. Von den Opferaltären vor den Tempeltüren verlaufen Rinnen über das flache Dach zu den Treppen. Alles ist mit Blut verkrustet und aus den höhlenartigen Tempeln quillt ein süßlicher Geruch nach Verwesung.
    Doch der Ausblick von hier oben ist überwältigend. Von diesem gigantischen Bauwerk aus kann man ganz Tenochtitlan und den großen See ringsherum überblicken, an dessen Ufern unzählige kleinere Städte wie Perlen aufgefädelt liegen.
    »Dieses Land ist groß und reich und wunderschön, edler Freund«, sagt Cortés. Er wirkt aufrichtig beeindruckt, und er gibt sich weiterhin friedfertig, auch wenn jedes Wort, das Montezuma über den blutdurstigen Huitzilopochtli gesagt hat, seinen Zorn angefacht haben muss.
    »Dort hinten«, erklärt Montezuma eifrig, »liegt mein Tierpark – auch meine kostbaren Jaguare und Ozelots will ich Euch bald einmal zeigen, Don Hernando.« Er nimmt Cortés beim Arm, zieht ihn zur Nordseite des Bauwerks und deutet auf einen weitläufigen Park. Kleine Seen und die Dächer der Tierhäuser schimmern dort in der Abendsonne – eines dieser Bauwerke, denke ich schaudernd, muss das Menschentierhaus sein, von dem Carlita immer nur zitternd, in geflüsterten Halbsätzen spricht. Die Stätte des äußersten Grauens.
    Montezuma zeigt auf weitere Punkte in seiner Stadt und erklärt, was es damit auf sich hat. »Dort hinten, ganz im Norden, das ist Tlatelolco – ursprünglich war es eine eigene Stadt auf einer eigenen Insel. Aber mein Vater Axayacatl hat den Herrscher von Tlatelolco vor mehr als vierzig Jahren besiegt. Der Zwischenraum zwischen beiden Inseln wurde mit Schutt, Schlamm und Dammwegen aufgefüllt. Heute ist Tlatelolco nur noch der fünfte Stadtbezirk von Tenochtitlan. Auch dort solltet Ihr Euch einmalumsehen, Don Hernando – in Tlatelolco findet Ihr den größten Markt der Welt.«
    Unaufhörlich erklärt und erzählt er und zieht Cortés von einer Pyramidenseite zur anderen. Ich komme mit dem Übersetzen kaum noch nach und bald schon dröhnt mir vor Anstrengung der Schädel. Aber mir entgeht keineswegs, dass mir Montezuma immer öfter anerkennende Blicke zuwirft. Anscheinend ist er mit meinen Bemühungen als Dolmetscher recht zufrieden.
    »Nun lasst mich aber einen Blick dort hinein werfen!«, sagt schließlich Cortés. Er deutet auf den düsteren Tempel an der Südseite der Pyramide.
    Der Tempel ist mit einem Strohdach versehen, die Außenwände sind weiß getüncht, mit blutroten und leuchtend blauen Mustern bemalt. Wenigstens zwanzig Priester kauern vor dem Heiligtum, weitere kommen mit schleppenden Schritten aus dem lichtlosen Innern hervorgeschlurft. Mit ihren schwarzen Roben ähneln sie unseren Priestern, aber nur auf den ersten Blick. Ihre Gesichter sind aschfahl, ihre Ohrläppchen hängen in Fetzen herunter – jeder von ihnen, erklärt uns Montezuma, opfert den Göttern mehrmals am Tag von seinem eigenen Blut. Sie zapfen es sich aus den Ohren, den Fingerspitzen und anderen Körperteilen ab. Aber die fingerdicke Schorfkruste, die ihre Arme und Gewänder überzieht, stammt von dem Blut der Opfer, die sie auf den Steintischen vor ihren Tempeln schlachten.
    »Willst du wirklich da hinein, Hernán?«, fragt Alvarado.
    »Um Jesu Christi willen«, mischt sich Fray Bartolomé

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