Goldfieber
ich danach, Euch von Gott dem Herrn, von Seiner Macht und den Wundern zu erzählen, die er durch Seinen Sohn Jesus Christus auf Erden gewirkt hat. Und nun endlich habe ich dazu Gelegenheit!«
In leidenschaftlichen Worten und bewegtem Tonfall beginnt er zu erzählen. Von der Jungfrau Maria, die den Gottessohn zur Welt gebracht hat, von der Frohen Botschaft, die Gott uns durch Seinen Sohn gesandt hat, von der Kreuzigung Jesu und Seiner Auferstehung am dritten Tag. »Und Gott selbst«, verkündet unser Herr schließlich, »hat mich zu Seinem Statthalter ernannt undmir durch jene Träume befohlen, mich hierher zu Euch zu begeben, edler Freund, um Euch den wahren Glauben und die Frohe Botschaft zu bringen.«
Montezuma hat sich das alles aufmerksam und mit einem Gesichtsausdruck angehört, der zwischen Erschrecken und Entzücken gewitterhaft zu wechseln scheint. »Was Ihr von Euren Göttern kündet, klingt wundersam in meinen Ohren«, erklärt er, nachdem er sich mit seinen Ältesten beraten hat. »Mit Freuden werde ich Euren Priestern einen Tempel anweisen lassen, in dem Ihr Eure Götter anbeten könnt, sooft Euch und Euren Leuten danach ist, Don Hernando!«
Cortés wechselt einen Blick mit Sandoval und Alvarado und beide nicken ihm heftig zu. Doch ich bin mir sicher, dass unser Herr ihrem Ratschlag nicht folgen wird. »Ich danke Euch für Eure Großzügigkeit, Montezuma«, sagt er, »aber ein einziger Tempel ist bei Weitem nicht genug! Es gibt nur einen Gott – unseren Herrgott! Was Ihr Eure Götter nennt, sind bloß Dämonen, hässliche und unheilbringende Wesen, die dem Teufel untertan sind. Ihnen müsst Ihr abschwören, und ich hoffe sehr, dass Ihr das bald einsehen werdet. Alle Tempel im ganzen Land müssen von den Teufelsgötzen gesäubert und in Anbetungsstätten für den einzigen und allmächtigen Gott umgewandelt werden! Als Erstes aber müsst Ihr Euren Priestern verbieten, Euren Götzen weitere Menschenopfer zu bringen. Der Mensch ist das edelste Geschöpf Gottes – und in Seinem Zorn wird der Herr einen jeden strafen, der dem Teufel Seine kostbarsten Kreaturen in den Rachen wirft!«
Montezuma starrt ihn mit großen Augen an. Wieder berät er sich mit seinen Ältesten und schließlich winkt er einen seiner Diener zu sich her. Der Diener, ein kräftiger, hochgewachsener Mann, nähert sich mit demütig gesenktem Kopf dem Thron. Er trägt eine Art Topf vor sich her, eine flache Kupferschale mit einem hoch gewölbten Deckel darauf.
Auf ein weiteres Zeichen von Montezuma bleibt der Diener stehen und reißt den Deckel in die Höhe. Alvarado stößt einen Pfiff aus und Sandoval zieht zischend Luft durch die Zähne ein. Auch die beiden Franciscos stöhnen, so wie ich, unwillkürlich auf. Nur Cortés gibt keinen Laut von sich. Die Augenbrauen in die Stirn gezogen, schaut er starr auf das schaurige Etwas, das unter dem Kupferdeckel zum Vorschein gekommen ist.
Es ist Cuitlalpitoc – oder, besser gesagt, der Kopf des unglücklichen Gesandten, und das bluttriefende Fleischstück, das ihm aus dem Mund hängt, ist höchstwahrscheinlich sein eigenes Herz!
»Jetzt bin ich mir ganz und gar sicher«, sagt Montezuma mit einem scheuen Lächeln, »dass Ihr jener Erhabene seid, Don Hernando, dessen Wiederkehr aus der Richtung des Sonnenaufgangs uns prophezeit worden ist. Bitte verzeiht, dass ich Euch nicht gleich erkannt und freudig willkommen geheißen habe. Ich wurde schlecht beraten – und überdies hintergangen von Lügnern und Verrätern wie Cuitlalpitoc!«
Er macht eine Handbewegung zu seinem Diener hin. Der stellt die Schale mit dem Schädel zwischen Cortés’ und Montezumas Füßen vor den Thron, bevor er sich rückwärts zur Tür hin entfernt.
»Zweifelt nicht länger an meiner Freundschaft und der Verehrung, die ich für Euch empfinde«, sagt Montezuma in bittendem Tonfall. »Erlaubt meinem Neffen Plicocatl, Euch mit Tränen des Sonnengottes zu verzieren!«
Cortés bekundet mit einem huldvollen Nicken sein Einverständnis. Daraufhin tritt ein junger Azteke von edlem Aussehen aus der Menge der runzligen Ratgeber hervor. Er hält etliche Goldketten mit eingelassenen Edelsteinen in der linken Hand. So tritt er vor Cortés, verbeugt sich ehrfürchtig und hängt ihm die prunkvollste Kette um den Hals. Dann geht er zu Alvarado und Sandoval, zu Morla und Montejo und jeder von ihnen wird mit einer kostbaren Goldkette geschmückt.
Unser Herr dankt Montezuma, aber an seinem gleichgültigen, nahezu leiernden Tonfall
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