Goldfieber
ein, »hütet diesmal Eure Zunge, Herr! Wenn wir ihre Götzen schmähen, reizen wir nur ihren Zorn. Wir müssen den rechten Zeitpunkt abwarten!«
»Und wann kommt der Eurer Meinung nach – der rechte Zeitpunkt?«, gibt Cortés in jenem kalten, scheinbar gleichgültigen Tonfall zurück.
Fray Bartolomé macht eine unbestimmte Handbewegung undCortés wendet sich an den Tätowierten. »Was sagt Ihr, Fray Geronimo? Wie lange muss ich – muss unsere Liebe Frau Maria sich noch gedulden?«
Aguilar läuft der Schweiß über die Schildkrötenwangen. Er klammert sich krampfhaft an zwei aztekischen Dienern fest. »Ich bin bereit«, presst er hervor. »Wenn der Herr mich ruft, werde ich meine Ohren nicht verschließen!«
Cortés sieht ihn durchbohrend an und macht dann einen Schritt auf den Tempel zu. Sofort erheben sich wenigstens zehn Götzenpriester und stellen sich schützend vor den Eingang ihres Heiligtums.
»Geht Ihr voraus, Montezuma!«, sagt unser Herr, und ich beeile mich, seine Worte zu übersetzen. Die Teufelspriester mögen durch die ständigen Blutopfer geschwächt sein, doch in ihren Gürteln stecken spitzzahnige Opfermesser, in deren Gebrauch sie zweifellos geübt sind.
Montezuma wedelt sie mit einer Hand beiseite. Hinter dem Herrscher und Cortés trete ich in den stockfinsteren Tempel und der Verwesungsgeruch würgt mich in der Kehle.
- 9 -
»In diesem Heiligtum«, erklärt Montezuma, »verehren wir unsere Kriegsgötter Huitzilopochtli und Tezcatlipoca.« Unaufhörlich erzählt er weiter – von Tezcatlipoca, dem alten Kriegsgott, und von dem jungen, wilden Huitzilopochtli, der die alte Gottheit an Blutdurst und Kriegsgeist weit übertrifft.
Nur allmählich gewöhnen sich meine Augen an die Dunkelheit. Doch schließlich kann ich zwei Altarsteine unterscheiden, die einander gegenüber an den Schmalseiten des Tempelraums stehen. Neben jedem Altar ragt eine kolossale Steinskulptur empor. Das Bildnis des Huitzilopochtli ist eine hünenhafte Kriegergestalt mit weit aufgerissenem Mund und drohend erhobener Faust. Die Augen des schrecklichen Götzen bestehen aus blauenEdelsteinen. Sein Kopf ist mit unzähligen türkisblauen Federn geschmückt – genauso wie der Kopf des Großen Montezuma, der überdies einen Umhang aus blauen Vogelfedern trägt. Der Name Huitzilopochtli , das wird mir in diesem Moment klar, bedeutet »Kolibri des Südens«.
In den geöffneten Mund des Götzenbildes, erklärt uns Montezuma eifrig, stecken die Priester bei den Opferfesten die noch zuckenden, bluttriefenden Herzen der Hingeschlachteten. Die Skulptur ist hohl und so passen etliche Hundert Herzen hinein. Man lässt sie im Innern des Steins verwesen – daher also kommt der grauenvolle Fäulnisgeruch in diesem Tempelraum.
Aber nicht allein daher. Ich folge Cortés, der hinter das Götzenbildnis getreten ist – und diesmal kann nicht einmal er sein Erschrecken gänzlich verbergen. Er atmet krampfhaft ein und dann längere Zeit nicht wieder aus.
Die gesamte Rückseite des Götzenbildes hat das täuschend echte Aussehen eines jungen Mannes. Sein Gesicht ist verzerrt, seine Brust gewölbt, die Beine sind stark und starr wie Säulen. Doch es ist nur die Haut eines Geopferten, die von grässlich kunstfertigen Priestern abgezogen und über die Rückseite des Götzenbildes gestreift worden ist. Faulige Fleischfetzen quellen unter den Hauträndern hervor.
Cortés starrt die schaurige Reliquie mindestens eine halbe Minute lang an, dann wendet er sich um und geht mit großen Schritten zurück ins Freie. Ich eile hinter ihm her und weiß im Voraus, dass er seinen Zorn nun nicht länger unterdrücken wird.
»Montezuma, hört mich an!«, sagt er, kaum dass uns der Herrscher auf das Pyramidendach hinaus gefolgt ist. »Diejenigen, die Ihr hier anbetet, mein Freund, sind keine Götter, sondern Dämonen – teuflische Geister, die Euch zu teuflischen Untaten verleiten! Darum bitte ich Euch noch einmal von Herzen: Gestattet uns, die Götzenbilder zu zertrümmern und diesen Tempel stattdessendem einen und allmächtigen Gott, Seinem Sohn Jesus Christus und der gütigen Muttergottes Maria zu weihen!«
Alvarado, Fray Bartolomé und Sandoval schütteln abwehrend ihre Köpfe in meine Richtung. Doch Cortés wölbt seine Brust heraus und reckt das Kinn vor. »Wiederhole ihm meine Worte, Orteguilla!«, befiehlt er.
Mein Mund ist staubtrocken, vor Angst falle ich fast in Ohnmacht – und doch jubelt mein Herz Cortés zu! Seinem Wagemut und seiner
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