Goldfieber
Dabei umarmen und streicheln wir einander immer leidenschaftlicher – bis plötzlich ein großer, blau gefiederter Papagei in unsere Hütte gestelzt kommt und misstönend krächzt. Erschrocken fahren wir auseinander und müssen im nächsten Moment losprusten: Er sieht aus wie Montezuma, so würdevoll, so eitel, so türkisblau!
Carlita ordnet Haare und Gewand, haucht mir einen Abschiedskuss auf den Mund und schlüpft wieder nach draußen. Ich warte noch ein paar Augenblicke, bis sich mein Herzschlag beruhigt hat und ihre Schritte draußen im Park verklungen sind. »Komm schon, komm her, Montezuma!«, locke ich den Papagei an, doch der grämliche Vogel würdigt mich keines Blickes.
Ich springe auf und scheuche ihn mit einem angedeuteten Fußtritt davon. Er gibt ein empörtes Krächzen von sich – und erst in diesem Moment wird mir so richtig bewusst, was Carlita eben zwischen Küssen und Umarmungen zu mir gesagt hat: Im Südflügel unseres Palastes gibt es ein Schatzversteck, das einst ein Xochiquetal-Tempel war – und dort sollen wir die Marienkapelle errichten!
- 11 -
Als wir uns bei Sonnenuntergang erneut im Thronsaal versammeln, sind Cortés’ Vertraute in noch gewittrigerer Stimmung als bei unserem letzten Treffen. Offenbar haben sie miteinander gestritten – jetzt jedenfalls suchen sie sich weit voneinander entfernte Sitzplätze und werfen einander wütende Blicke zu.
»Lasst hören!«, sagt unser Herr und starrt in seiner üblichen Art ins Leere. »An welchem Ort wollen wir künftig zum Gebet niederknien?«
»Das ist doch so egal wie ein Furz!«, schreit Portocarrero. »Um hier lebendig wieder herauszukommen, brauchen wir mehr Männer und verdammte Kanonen, aber keine Kapellen!«
Cortés schenkt ihm keinerlei Beachtung. Er sitzt aufrecht auf seinem Thron und nickt dem »Durchtriebenen« auffordernd zu.
»Lass Mendoza meinetwegen einen Altar bauen und irgendwo aufstellen, wenn es dir so wichtig ist!«, sagt Alvarado mit müder Stimme. »Aber in der Falle sitzen wir dann trotzdem noch – nur eben in einer Falle mit Kapelle!«
»Das ist auch meine Meinung«, pflichtet Sandoval bei.
»Ihr enttäuscht mich, alle drei«, sagt Cortés und schaut sinnend vor sich hin. »Und was ist mit dir, Orteguilla?«
Ich erhebe mich von meinem Stuhl und muss erst einmal krampfhaft schlucken. Seit mehr als einer Stunde habe ich hin und her überlegt, was und wie viel ich offenbaren kann, ohne Carlita in Gefahr zu bringen.
Ich recke mein Kinn vor und starre durch Cortés hindurch. »Früher, als das hier noch der Königspalast war«, sage ich in gleichgültigem Tonfall, »da gab es im Südflügel anscheinend einen Tempel für Xochiquetal. Der Raum soll seit Ewigkeiten zugemauert sein – jedenfalls laut Carlita, die das alles natürlich auch nur vom Hörensagen weiß. Vielleicht könnten wir dort die Marienkapelle errichten? Die gütige Göttin Xochiquetal erinnert ja wirklich ein wenig an unsere Muttergottes«, füge ich hinzu.
Cortés sieht mich durchdringend an und einen Moment lang wirkt er fast ein wenig beeindruckt. Der »Dröhnende« fängt natürlich wieder an herumzuschreien, dass verdreckte Teufelsgötzinnen nicht die geringste Ähnlichkeit mit der Madonna Maria aufweisen könnten. Aber Cortés bringt ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen.
»Gonzalo«, sagt er zu Sandoval, »lass dir von Orteguilla zeigen, wo dieser zugemauerte Tempel sein soll. Verständige unsere Handwerker, aber sorge dafür, dass Montezumas Späher nichts mitbekommen! Sie sollen den Raum nur so weit öffnen, dass man einen Blick hineinwerfen kann – und dann ruft mich herbei!«
Genauso geschieht es. Ich eile Sandoval voraus in den Südflügel des Palastes. In einem entlegenen Flur im Erdgeschoss künden Bildzeichen an Wänden und Türsturz noch davon, wo sich einst der »Klingende Schrein« befunden hat. Dieser Raum aber, in dem ehemals Muscheltrompeten, Rasseln und Trommeln aufbewahrt wurden, ist deutlich kleiner, als es der davor verlaufende Flur erwarten ließe.
Sandoval befiehlt unseren Handwerkern, mit Hämmern und Eisenstangen eine Bresche in die Mauer zu stemmen. Dann schickt er die Männer wieder weg und zündet die bereitliegende Fackel an.
Wenigstens eine Minute lang starrt er in die dunkle Höhle hinter dem Wandloch. »Sieh dir das an!«, sagt er in ergriffenem Tonfall. »Da drinnen ist der größte Schatz der Welt versteckt!«
Seine Wangen sind gerötet, sein Atem geht keuchend. In seinen Augen bemerke ich jenes
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