Goldfieber
irrsinnige Glitzern – kein Zweifel, das Goldfieber hat ihn gepackt! Beinahe bereue ich, dass ich Carlitas Ratschlag gefolgt bin – dieser Goldschatz wird die Begierde in den Herzen der Männer nur noch heißer entfachen, das weiß ich genau!
Zögernd nehme ich die Fackel, die mir der »Tollkühne« reicht, und leuchte damit in das Mauerloch hinein. Und dann vergesseich vor Staunen wieder einmal zu atmen. Der Raum hinter der Bresche ist mit kostbaren Bildnissen regelrecht vollgestopft! Goldene Götzenköpfe starren mich aus dem Halbdunkel an, schaurige Dämonen grinsen silbrig. In Regalen sind goldene Teller und Schalen zu Dutzenden aufgestapelt. An den Wänden hängen golddurchwirkte Umhänge und Hunderte goldener Ketten säuberlich nebeneinander aufgereiht. Auf einem kniehohen Steinsockel aber steht ein Bottich, so groß, dass drei ausgewachsene Männer sich nebeneinander darin ausstrecken könnten – bis zum Rand mit »Tränen des Sonnengottes« gefüllt!
»Hole Cortés – mach schon!«, sagt Sandoval und ein irrsinnig anmutendes Grinsen verzerrt seine Züge. »Ich weiß wahrhaftig nicht, worüber ich mehr staunen soll«, ruft er mit überkippender Stimme aus, »über ihn, weil er die Eingebung hatte, eine Kapelle zu errichten – oder über deine Kleine!«
Mir wird immer mulmiger zumute. »Von dem Gold wusste sie bestimmt nichts«, versichere ich. »Carlita hatte nur damals von den anderen Priesterinnen aufgeschnappt, dass es gerade hier in früheren Zeiten einen Xochiquetal-Tempel gab. Das ist alles!«, füge ich hinzu, und Sandovals Blick verrät mir, dass er gar nicht zugehört hat.
Niedergeschlagen mache ich mich auf die Suche nach Cortés. Doch bereits auf der Treppe hinauf zum Thronsaal kommt er mir entgegen. »Was habt ihr gefunden?«, fragt er. »Einen Schatz, nicht wahr? Deine Kleine hat uns den Weg zu einem Schatzversteck gewiesen!« Er legt mir einen Arm um die Schultern. »Sie ist der Schlüssel, Orteguilla – erinnerst du dich?«
Ich nicke unbehaglich und versuche, mich aus seinem Griff zu befreien. Aber Cortés zieht mich mit sich, die Treppe wieder hinab und in den Gang, der in den Südflügel führt.
»Alle meine Träume haben sich erfüllt – bis auf den einen«, sagt unser Herr. »Und der wird sich auch noch erfüllen – du weißt schon, Orteguilla: Montezuma und ich zusammen auf demThron und du bist unser gemeinsamer Page.« Er schaut mich von der Seite an, und obwohl er das Gold noch gar nicht erblickt hat, glitzern seine Augen fiebriger als jemals zuvor.
Dann steht er vor der Mauerbresche und nimmt Sandoval die Fackel aus der Hand. Er leuchtet nur kurz in die Höhle hinein, wendet sich gleich wieder ab und befiehlt in seinem kältesten, gleichgültigsten Tonfall: »Reißt die Mauer weg und schafft den Schatz in den großen Saal neben meinen Gemächern! Aber verstaut alles in Körben und umhüllt diese mit Tüchern und Teppichen, damit niemand auch nur ein Funkeln zu sehen oder ein Klirren zu hören bekommt! Und sorgt dafür, dass der Saal Tag und Nacht bewacht wird!«
Noch einmal wendet er sich um, greift durch das Mauerloch und nimmt eine goldene Götzenfigur an sich, kaum größer als seine Hand. Er verstaut sie in seinem Gewand und winkt mir, ihm zu folgen. »Du begleitest mich in den Königspalast«, befiehlt er mir. »Ich werde Montezuma von unserem Fund erzählen – und er wird mir den gesamten Schatz vor den Augen und Ohren seiner Ratgeber schenken.«
Verwirrt schaue ich ihn an. »Aber ich dachte, er wäre auf Reisen?«, sage ich.
»Nicht mehr«, antwortet mir unser Herr. »Guerrero hat vom Dach aus beobachtet, wie er in der Abenddämmerung zurückgekehrt ist.«
- 12 -
Die Nacht ist schon hereingebrochen, als wir über den weiten Platz zum Königspalast hinübergehen. Auf den Pyramiden brennen Feuer, und überall auf dem Platz stehen Becken voll glühender Kohlen, an denen man seine Fackel anbrennen kann. Auch die Wächter vor den Tempeln und Pyramiden haben Lichter angezündet – dennoch kommt mir diese Nacht so schwarz vor wie das Innere eines Grabes.
Ich bin unruhig und von bösen Vorahnungen erfüllt. Warum will Cortés unbedingt noch heute Abend Montezuma sprechen? Von unserem Schatzfund könnte er ihm ja genauso gut morgen berichten. Ginge es nach Alvarado oder Portocarrero, dann würde Montezuma ohnehin niemals erfahren, was wir in jenem vermauerten Winkel gefunden haben: Dutzende goldener Bildnisse von so bewundernswerter Kunstfertigkeit, wie sie gewiss die
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